Sonntag, 25. Oktober 2015

Die Nacht vor dem Stierkampf





von Juan Belmonte

Der spanische matador de toros Juan Belmonte García (1892 bis 1962) wurde und wird häufig als einer der einmaligsten toreros aller Zeiten betitelt. Wegen seiner kurzen Beine war er oft gezwungen, seine Manöver, seine pases ohne viel Bewegungsaufwand durchzuführen. Weglaufen ging nicht. Er war gezwungen wegen seiner Gestalt, sich dem Angriff des toros zu stellen. So gehörte er auch mit zu den ersten toreros, die über ihre Gefühle der Begegnung im ruedo sprach, über Ängste und sein innerstes Seelenleben in der mundo de los toros. Und so ein tarde de toros begann bei ihm schon weit vor Beginn. Am Abend vorher, in der Nacht wie morgens.


"Schon in der ganzen Nacht schlich sie um einen herum, selbst in dem Moment wo man sich zu Bett begab, sich hinlegte war sie da, berührte einen, jedoch mit ein wenig Phantasie und kräftigem Willen, war es erst einmal ein leichtes sie aus dem Feld zu schlagen, sie fortzujagen. Und so schlafe ich am Vorabend friedlich ein, mit dem einfachsten Trick der Welt. Ich beginne an Ereignisse, an Dinge zurückzudenken, welche kaum an Bedeutung haben. Und da man nicht gerade die stärkste Einbildungskraft besass, war es ein Einfaches für mich in meinem Geist eine Art Fata Morgana entstehen zu lassen. Wie ein Film spielte ich diese immer wieder ab, um meine unkontrollierbare Phantasie ich Schach zu halten, bis es mir endlich gelungen war einzuschlafen. Dabei handelte es sich um eine unterhaltsame, vergnügliche Folge von Bildern und Sequenzen, welche mir Freude bereiteten, und mich von den möglichen dramatischen Konsequenzen, den kritischen Momenten des folgenden Tages ablenken sollten. Gleich einer Vogelscheuche in meinem Geist wirkte sie auf mich wie ein Wiegenlied für Kinder.

Am Morgen der corrida de toros, wenn man noch im Bett liegt und schläft, kommt sie heimlich  und lautlos angeschlichen, die Angst, baut sich auf, richtet sich neben uns ein ohne uns zu wecken.

Kommt dann der Moment, indem ich dann morgens erwache, ist eine Flucht nicht mehr so leicht möglich. Plötzlich ist sie da, die Angst, überrascht einen, wenn man erwacht, wird Herr über uns, ehe wir in der Lage sind uns gegen diese mit Hinterlist gefüllten Gedanken wehren zu können. Da liegen wir toreros mir unseren Köpfen auf den Kissen, erblicken mit einem Auge das Licht des anbrechenden Tages und mit dem Licht kommt auch sie uns entgegen, die Angst.

Unser mozo de espada weiss es. kennt diese Gefühle, weiss es genau. Denn wo gibt es schon einen torero, dessen Mut vor den Augen seines mozo de espadas bestehen könnte. Da hilft nur eins. Aufstehen. Gut. Schluss mit dem Unsinn. Gehen wir torear. Her mir dem traje de luces.
1928: Noch im Morgenmantel bereitet der mozo de espada dem matador de toros die coleta.
Und genau das ist es, sich als torero verkleiden, sein Leben riskieren, als ob man dieses nötig hätte. Nein, das sind wir uns bewusst. Wir tun es, weil es uns gefällt."
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Quellennachweis:

Juan Belmonte, matador de toros, su vida y sus hazañas, Manuel Chaves Nogales, Editoril Alianza, Madrid 1969
(Übersetzung: Philip de Málaga)