Mittwoch, 22. Juli 2015

Wenn Nicht-Spanier über Stierkampf sprechen

Wenn man nicht aus einer taurinischen Zone kommt,
ist man dann in der Lage überhaupt über die Stiere zu schreiben?
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von Philip de Málaga



Anfang Juli erschienen bei SfA zwei Reportagen mit den Titeln Denken wie ein Stier und Denken wie ein Torero. Grundsätzlich erfuhren beide Darstellungen ein positives Feedback wie zum Beispiel im Gästebuch von SfA:


Auch zustimmende Mails erhielten wir. Aber er es gab auch kritischen Stimmen dazu, wie zum Beispiel diese:

"Deine Ansätze zu den letzten beiden Beiträgen sind gewiss in bestem „Wissen“ geschrieben, entbehren aber jeder wirklichen Grundlage. "

Klar zu erkennen, hier vertritt jemand eine andere Meinung. Und das ist gut so, das man über ein Thema diskutieren kann. Erst die geistige Auseinandersetzung damit macht es interessant. Ohne jetzt aber ins Detail zu gehen, stellt sich hier eine ganz andere Frage. Wann ist man eigentlich in der Lage, sachlich, fachgerecht über ein Thema zu berichten, mit dem man eigentlich selbst nicht einmal gross geworden ist?

Ernest Hemingway
Bleiben wir einmal bei den toros. Die erste ausländische Persönlichkeit die begann so sachlich wie möglich über das Thema der mundo de los toros zu berichten war Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway. Ohne Frage gehörte er unter den Ausländern zu denjenigen, der am meisten von den toros verstand. Und er hatte auch in der mundo taurino zahlreiche amigos. Aber auch zahlreiche Kritiker und aficionados, welche dieses fachliche Einmischung von aussen nicht besonders schätzten. Eine ähnliche Kritik, welche man auch den antitaurinos zukommen liess und lässt. Und trotzdem gilt er heute noch als der grosse Stierkampfkenner.

Überhaupt, wie sind die Texte in der Literatur zu bewerten? Es sind ja nicht gerade Unbekannte, die sich an das Thema der toros heranwagten: Unter anderem James A. Michener, John Steinbeck, Norman Mailer, Lord Byron, Margarete Stein, Barnaby-Conrad, D. H. LawrenceTheophile Gautier ... die Liste lässt sich endlos weiterführen. Alle schrieben über die toros, erlebten sie, in den plaza de toros oder auch auf den dehesas, bei capeas oder wo auch immer. Sie schwangen nicht die Tücher wie capa oder muleta, konnten aber trotzdem mitreden. Darüber schreiben. Und damit sogar beeindrucken. Selbst den toreros gefiel es häufig, wenn so über sie geschrieben wurde. 

Machen wir einen kurzen Abstecher in einen anderen Bereich. Zum Boxen. Man muss doch keine Boxhandschuhe getragen oder im Ring gestanden haben um mitreden zu können. Jedoch etwas gehört dazu. Erfahrung. Häufiges Beobachten und Analysieren, dem Zuhören, was Experten und Kenner dazu sagen oder geschrieben haben, kurz, das Gefühl eines Kennenlernen entwickeln, sich dem Ereignis geistig wie emotional nähern, verstehen was dort geschieht. Nicht anders verhält es sich bei den toros.

Uli Pürschel
Uli Pürschel vom Portal La Tauromaquia beschrieb es so: "Den Spaniern scheinen die Pyrenäen hoch genug zu sein um eine Einmischung von aussen nicht ernst zu nehmen". Zwar bezog er es in erster Linie auf die antitaurinos, aber auch jede andere Einmischung von ausserhalb wurde eher auf Distanz geschoben als sich damit auseinander zusetzen. Und er selbst zählte ohne Frage im deutschsprachigen Bereich von 2003 bis 2012 mit seinem Portal zu den führenden Experten in Sachen tauromaquia für Deutsche.

Was ist mit den aficionados in den tendidos, welche noch nie in ihrem Leben eine capa, muleta oder einen estoque in ihren Händen hielten? Haben die keine Ahnung, weil ihr Wissen nur aus der Literatur, aus dem Fernsehen, dem Internet oder des Betrachtens, was im ruedo geschieht, basiert? Dann wären es Sadisten, die sich an der Qual des toros erfreuen würden stand über die Erkenntnis der Ereignisse. Gehen wir aber mal einen Schritt weiter:

Da gibt es den toreo de salón. Der hat sehr wohl jene "Tücher" schon mal wenigstens in der Hand gehabt, sie geschwungen. Da bewegt man zwar die capa oder was auch immer, und vielleicht sogar recht elegant, aber die drohende Gefahr eines toros ist nicht vorhanden. Wie sind solche Aktivitäten zu bewerten?

Geht man einen Schritt weiter kommt man zum aficionado práctico. Da wird ein gewisser Mut abverlangt. Tritt dort der Mensch doch einem wirklich Stier entgegen. Zwar kleiner, eine becerra oder ähnliches, aber deswegen nicht ungefährlicher. SfA-Mitarbeiter Dominik Sachsenheimer hat diese Begegnung wunderbar in Viva México! (1. Teil und 2. Teil) beschrieben. Hier kann also jemand wirklich von der Begegnung der menschlichen Intelligenz und dem animalischen Instinkt erzählen. Von seinen Gefühlen berichten.


SfA torero Dominik Sachsenheimer
Kommen wir zu den Deutschen. Zugegeben, da wird eher bescheiden berichtet. Zwar gibt es hier bei SfA eine Seite mit Deutscher Literatur zum Thema Stierkampf, aber in der Aktualität hält es sich in Grenzen. Auch im Internet. Ob nun Stierkampf - corrida de torostorodoro, oder wer auch immer, wer an diesen Seiten arbeitet hat es mit Herz und Seele getan. Hat sich viele Jahre mit der mundo de los toros auseinandergesetzt, ist ihr begegnet, kennt taurinos wie toreros, hat viel darüber gelesen, beherrscht die spanische Sprache, und alle sind in der Lage zu informieren, zu berichten und Emotionen zu vermitteln. Die Erfahrung vieler Jahre, und wer bei SfA einen Blick in Das Team von SfA wirft kann erkennen, dass diese Begegnung mit der mundo taurino schon seit 1985 besteht, also ganze stolze dreissig Jahre! Da kann man ruhig davon ausgehen, das diese Leute sehr wohl mitreden können. 

Bei einem interessanten Gespräch über dieses Thema in der peña taurina in der Malagueta von Málaga sagte mir jemand mal folgenden Satz: "Um bei Politik mitreden zu können, muss man kein Politiker sein, genauso trifft das auch auf das toreo zu!

Wie man auch immer darüber denken mag, gerade die verschiedenen Betrachtungsweisen des toreos, der toros und toreros, überhaupt der gesamten mundo de los toros macht das Thema der toros zu einer spannenden wie vielseitigen Kultur Spaniens. Aber man benötigt Zeit um ihr zu begegnen und um sie verstehen zu lernen.

Und was uns angebliche Kenner der taurinischen Szene anbetrifft, so sollten wir uns hüten den Experten heraushängen zu lassen, sondern einfach nur den Dialog suchen, einfach nur berichten was wir gesehen, gehört und erlebt haben.