Mittwoch, 15. Juli 2015

Die Querencia: Wenn der Stier nicht angreift

Über die bevorzugten Zonen der toros in einer plaza
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von Philip de Málaga



Mit dem Begriff querencia wird der Neueinsteiger in die mundo de los toros relativ spät konfrontiert. Dabei handelt es sich um eine Zone, welche vom toro bevorzugt aufgesucht wird, vor allem auch deswegen, weil er sich dort in einer gewissen Geborgenheit fühlt, wo er meint sich auch gut verteidigen zu können.

Das klassische Lexikon des Stierkampfs, der Cossío beschriebt die querencia in einem Satz: "Der Ort in einer plaza, welchen der toro bevorzugt aufsucht, wo er sich nach einer jeden suerte hin begibt."

Der toro zieht sich nach einer suerte zu seiner bevorzugten querencia zurück
Ernest Hemingway beschreibt es als den Teil der Arena, in dem der Stier sich am liebsten aufhält; wo er sich zu Hause fühlt. 

Roland Rollhäuser geht einen Schritt weiter und behauptet, dass es eine Stelle sei, wo ein Stier sich gerne aufhält und wenn er sich erst einmal in seiner querencia verschanzt hat, den Kampf unmöglich macht.

Mit anderen Worten. Bei einer corrida in einer plaza de toros fixiert im ruedo das Gehirn eines toros sich auf bestimmte Stellen, in welchen er das Gefühl hat, sich in einer Zone zu befinden, welche ihm eine gewisse Sicherheit gibt, und von wo er meint, sich leichter gegen die drohenden Gefahren verteidigen zu können. 

Nicht selten befinden sich diese querencias in der Nähe des torils, also dem Tor wo er das ruedo betreten hat und vielleicht im Unterbewussten hofft, es auch dort wieder verlassen zu können. 

Aber auch Stellen, wo er erfolgreich gegen seine Feinde vorgegangen ist könnten zu querencia deklariert werden, wie etwa, wo er ein Pferd eines picadores erfolgreich umgeworfen hat, was besonders in den Jahren vor 1929 eine Rolle spielte, trugen die Pferde damals noch keinen peto, also keine schützende Matratze, und starben im ruedo. Das Blut, la sangre im arena ermutigte den toro weitere zu töten.

Bis 1929 töteten viele toros die ungeschützten Pferde der picadores
Ähnlich verhält es sich mit den Stellen, wo er einen torero auf die Hörner nehmen konnte und in seinem Inneren eine Art Siegesgefühl mit sich trägt. Und er somit solche Stellen erneut aufsuchte um weitere Erfolge zu erringen.

An heissen Sommertagen können es auch einfach nur frische Zonen im sombra sein, wo er sich von seinen Stress ein wenig erholen oder abkühlen kann. 

Mit dem Rücken zur barrera gibt dem toro Sicherheit
Aber meistens handelt es sich um Zonen wo er sich einfach nur zurückzieht, oft mit dem Rücken zur barrera, sich weigert diesen zu verlassen und für den matador sowie für die anderen toreros ist es nicht ungefährlich ihn aus diesen Zonen herauszubekommen. Allein schon deswegen, weil die toreros sich auffallend dem toro nähern müssen um ihn dazu zu bringen sich zu bewegen. Dies geschieht öfters so, dass die toreros die capa oder der matador die muleta in der Nähe des Mauls vom toro auf dem Boden halten und sie langsam wegziehen, damit dieser ihnen folgt. Eigentlich kein schön anzusehendes Manöver.

Die querencia findet der toro nicht gleich zu Beginn, sondern sie entwickelt sich im Laufe der corrida. Je nach den Gegebenheiten nistet sich im Gehirn des toros im ruedo eine Stelle fest, wo er ein Gefühl der bevorzugten Sicherheit entwickelt hat. Und hat er diese erst einmal für sich entdeckt und eingenommen beginnt für die toreros eine unangenehme und für das Publikum in den tendidos eine nicht so schön anzuschauende Darbietung.

Aber auch das gehört zu einer corrida de toros und zeigt auf, wie animalisch die Tiere reagieren und mit welchem Instinkt es die toreros zu tun haben. So bietet jedes res wieder eine Herausforderung für sich allein. Man erkennt die Begegnung zwischen dem animalischen Instinkt und der menschlichen Intelligenz.
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Quellennachweise:

COSSÍO, LOS TOROS, Band 1, Vocabulario, Espasa Calpe S.A., 2007
DEATH IN THE AFTERNOON, Ernest Hemingway,  Charles Scribner`s Sons, New York, 1932
TOROS, TOREROS, Roland Rollhäuser, Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbeck bei Hamburg, 1990