Sonntag, 19. Oktober 2014

Begegnung mit dem Stier

Über die geistige Haltung eines Toreros, über die taurinische Intelligenz
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von Philip de Málaga
(Fotos: La Tauromaquia, licamcuntz)


Was verbirgt sich dahinter, wenn sich ein Mensch einem gefährlichem Wesen stellt. Wir sprechen hier vom toreo. Dem wichtigsten Element der tauromaquia. Torear bedeutet nicht nur einfach sich zu trauen, sich vor einen toro zu stellen, vor einem Tier dass einem Schaden zufügen, gar den Tod bringen könnte. Hinter der Kunst des toreos verbirgt sich ein einzigartiges Ereignis, eine Demonstration von Intelligenz. Die Griechen hätten dieses, und jetzt würden wir sogar Ansätze beim angeblich archaischen Ursprung finden (siehe Ist der Stierkampf archaisch?), als Hinterlist, Cleverness und mit der nötigen Portion an Raffinesse bezeichnen.

Enrique Ponce
Den eigenen verwundbaren Körper, einem animalischen Wesen zu stellen, welches nur dem Instinkt gehorcht, aber in der Lage ist sehr schnell zu begreifen, zu lernen was hier im ruedo geschieht und von wo die Gefahr wirklich ausgeht. Das entspricht gewiss nicht der Natur eines Menschen, besonders in diesem Zeitalter. Die Angst einer lebensgefährlichen cornada ist stets präsent. Der Umgang mit dem toro, das toreo verbindet einen gewissen Bewegungsablauf mit Kenntnissen über dem res, seinem Verhalten wie seine möglichen Reaktionen. Intuition sowie eine strategische Intelligenz sind notwendig um eine abgerundete lidia zu planen und durchzuführen. Jeder Augenblick der Unachtsamkeit, des Entgehens bedeutender Momente kann ungeahnte Folgen bringen.

José Tomás
Der matador de toros betritt das Geschehen nicht nur um den toro zu töten, sondern er muss ihn auf seinem letzten Weg zum Tod begleiten. Mehr noch, es muss sein Anliegen sein, ihm zum letzten Ruhm zu verhelfen. Dem Publikum in den tendidos zeigen, welche bravura, welche Gefahr in diesem Tier steckt, gar einen toro manso in einen  toro bravo zu verwandeln. 

Morante de la Puebla
Doch das Ende, das Ziel ist und bleibt der Tod des toros. Und es liegt an der maestría eines matadores, mit einer gekonnten estocada dem Tier einen würdevollen und vor allem schnellen Tod zu bereiten. Denn dafür wurde er unter grossem Aufwand auf den dehesas in absoluter Freiheit gezüchtet. Einer Freiheit, von der seine Artgenossen im europäischen Raum nur träumen können.

Javier Conde
Und seien wir doch ehrlich, ohne diese taurinische Intellektualität eines toreros würde es in den tendidos an dem entsprechenden Pläsier fehlen. Genau jene intelligente Dominanz ist es, was begeistert, was überzeugt, welche bei eleganter und anmutiger Ausführung den duende zur afición in die Ränge begleitet. Der matador bestimmt wann, wo und wie, und um das im richtigen Moment entscheiden und umzusetzen zu können, benötigt er jene Intuition eines professionellen toreros. Nicht dass das Tier stirbt, sondern der Weg dahin, genau dahinter verbirgt sich die Leidenschaft eines aficionados, eines jeden taurinos.
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Literaturhinweise:

José Antonio del Moral, Cómo ver una corrida de toros, Alianza Editorial, Madrid, 2001
Francis Wolff, 50 razones para defender la corrida de toros, Editorial Almuzara, Zaragoza 2001