Mittwoch, 6. August 2014

Das erste Mal (Teil 7)

HINWEIS: Die blau-kursiven spanischen Fach-Begriffe
sind mit dem deutschsprachigen Lexikon des Stierkampfs verlinkt.

Wer das erste Mal einen Stierkampf besucht sollte gewisse Punkte bedenken

7. Teil: Das erste Drittel mit dem picador
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von Philip de Málaga



Nachdem der toro nun vor dem ersten tercio mit einigen capotazos geprüft worden ist, ob er sich für eine lidia überhaupt eignet, schwenkt der presidente erneut ein weisses pañuelo um das erste tercio, dem so genannten tercio de varas, auch suerte de varas genannt, einzuleiten.

Für die meisten Neueinsteiger der Zuschauer die wohl unangenehmste Szene einer corrida. Ein Reiter mit Lanze bewaffnet, auf einem gepanzertem caballo, sticht offensichtlich mit seiner pica mit geradezu brutaler Gewalt auf den toro ein. Das war nicht immer so. Jene Panzerung, peto genannt, eine verstärkte Matratze wurde erst 1928 vom Diktator Primo de Rivera eingeführt, um den vor allem durch Ernest Hemingway eingeführten internationalen tauroturismo zu fördern. Denn bis zu diesem Zeitpunkt begegnete der toro einem Pferd ohne jeglichen Schutz und zahlreiche caballos starben dabei.


Schon in früheren Zeiten gab es indultos, die so genannten Begnadigungen. Diese richteten sich damals vor allem nach dem Verhalten der toros bei der suerte de varas.

Don José Anastasio Martin
So erreichte in der Real Maestranza von Sevilla am 3. Mai 1811 der toro mit dem Namen Zancajoso von der ganadería Don José Anastasio Martín das erste indulto in der Geschichte der tauromaquia. Ganze 33 puyazos und 11 getötete Pferde (das muss man sich erst einmal vorstellen, denn heutzutage überlebenen zahlreiche reses nicht mal drei puyazos) brachten dem toro bravo die Freiheit und zurück den Weg auf die dehesa.

Der zweite toro der den Weg in die Freiheit fand war am 18. April 1897, ebenfalls in der Real Maestranza de Sevilla. Und wie auch beim toro Zancajoso entschied sich der torero, das Publikum, für den toro Playero der ganadería Joaquín Murube schon nach 6 suerte de varas für ein indulto. Es kam zu keiner lidia mehr. Er erhielt lediglich 6 varas und die Leute in den tendidos waren begeistert über so viel bravura und nobleza. Ein sicherlich einzigartiges wie historisches Schauspiel in der tauromaquia, welches sich bis heute nicht wiederholt hat.

Playero
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Wie ist der picador gerüstet?
Castoreño, chaquetilla, vara,  mona, peto
Was geschieht im Einzelnen?

Es öffnet sich die puerta zum patio de caballos. Zwei picadores betreten das Geschehen. Der eine umrundet zu seinem Standpunkt auf die linke Seite (sol), der zweite picador rechts herum zur Schattenseite (sombra), wo die meisten suertes mit der pica ausgeführt werden. Begleitet werden die picadores von einem arenero, der bei der Attacke des toros zur Hilfe bereit steht Auch das zum ruedo gerichtete Auge des caballos ist mit einem Tuch zugebunden, manchmal auch beide, damit es den angreifenden toro optisch nicht wahrnehmen kann. An der Position angekommen gehen die picadores mit der geschützten Seite zum ruedo in Stellung.


Die Pferde dürfen ein Minimalgewicht von 500 Kilo und ein Maximalgewicht von 650 Kilo haben (reglamento taurino Artikel 60, Absatz 3).

Im ruedo befinden sich entweder in weisser oder in roter Farbe zwei Kreise im Sand. Den Bereich in der Mitte nennt man medios. Der Bereich zwischen den beiden Kreise wird als tercio bezeichnet. Den Aussenbereich zwischen dem Aussenkreis und der barrera misst fünf Meter und man nennt ihn tablas. Der äussere Kreis sollte vom picador nach innen nicht übertreten werden. Weigert sich der toro den picador anzugreifen kann dieser jedoch die äussere Linie überschreiten um dem toro näher zu kommen. Um ihn so mehr zu provozieren. Gerne wird es aber nicht gesehen. Den Kreis zu den medios  zu überqueren ist für den picador vollkommen untersagt.

Greift der toro den picador überhaupt nicht an kann der presidente verfügen, dass im zweiten tercio dem toro die banderillas negras gesetzt werden.

Warum muss die pica eingesetzt werden?

Mit der pica begegnet der Stier das erste Mal einen festen, gar spitzen Widerstand. Bis jetzt ist er ja nur durch die capa stets ins Leere gelaufen. Warum also nun der picador mit seiner pica? Dabei soll geprüft werden wie bravo sich der toro in seinem Verhalten beim Angriff verhält: Ist er manso, also viel zu harmlos, vielleicht sogar feige oder versucht er mit vollkommender bravura den picador aus dem Weg zu räumen oder ihn gar mit herzhafter Tapferkeit aus dem ruedo zu befördern.

Nun liegt es zunächst am matador den toro in Stellung zu bringen, damit er den Rufen des picadores folgen kann um diesen auch anzugreifen. Der picador hat nun zwei Möglichkeiten den Angriff des toros entgegenzunehmen. Einmal seitlich (puyazo de costado) oder frontal (puyazo de frente).


Egal für welche Methode er sich entscheidet, die Stellung des caballos zum angreifenden toro ist wichtig, damit er nicht das Gleichgewicht verliert. Der Reiter sollte darauf bedacht sein, dass stets die Hinterbeine seine Pferdes genug Kraft aufweisen, um dem Angriff des toros standzuhalten. So versucht der picador beim Ansetzen der pica das Gewicht bzw. den Druck nach vorne zu verlagern. So richtet man vorerst auf die nach hinten stehende die Kraft um dann schliesslich das Gewicht auf nach vorne, also auf den toro zu verlagern.


Dazu sollte die pica beim angreifenden toro die Nackenmuskulatur, den morillo schwächen, damit der Stier den Kopf weiter unten hält. Das hat zwei grundlegende Vorteile:
  • Erstens wird er auf diese Weise vom Publikum weniger abgelenkt und sein Blick richtet sich lediglich unterhalb des oberen Randes der barrera und somit auf das Geschehen im ruedo selbst. Wie schon oben beschrieben. Für einen torero gibt es kaum eine gefährlichere Situation, wenn der toro sich nicht auf ihn konzentriert, weil er durch andere Verhaltensweisen abgelenkt wird.
  • Zweitens erleichtert der gesenkte Kopf den Todesstoss, die estocada des matadores. Denn wenn der toro den Kopf hoch hält ist es für den matador schwierig und besonders gefährlich en Todesstoss mit dem estoque zwischen den cuernos, also zwischen den Hörnern anzusetzen.
Hier kann man gut erkennen, dass der toro bevorzugt mit dem linken Horn angreift.

Was kann man an der suerte de vara erkennen??
  • Greift der toro kraftvoll an und lässt sich von dem Widerstand der puya nicht ablenken. Und erst den banderilleros gelingt es den toro vom Pferd wieder wegzubringen ist eine positive wie gute Vorraussetzung für ein hoffentlich gelungene gute lidia.
  • Der toro greift hauptsächlich nur mit einem cuerno an und versucht entweder so auf der einen Seite den Rückzug anzutreten, oder das Pferd so aus dem Gleichgewicht zu bringen. Vor allem an diesem Manöver kann man erkennen welches Horn der toro vorzugsweise benutzt.
Ein guter puyazo de frente
  • Der toro macht gleich nach der ersten Berührung kehrt und sucht eine querencia auf, also eine Zone, wo er das Gefühl einer gewissen Sicherheit hat. Dann liegt es am matador, den toro aus jener querencia herauszuholen, was nicht ungefährlich sein kann, um ihn erneut in die Nähe des picadores in Stellung zu bringen.
Hier knickt der toro mit den Beinen ein. Ein Zeichen dafür dass seine Beine
für seinen Körperbau zu schwach sind.

  • Unangehmn stets zu beobachten wenn die toros beim Zusammenprall mit den picadores vorne einknicken. Vor allem um die 80 und 90 Jahren war jenes Zusammenknicken häufiger zu beobachten. Viele taurinos sahen darin einen Züchtungsfehler der ganaderías.
Ein optimaler Ansatz der puya.
  • Handelt es sich um einen kräftigen toro, und greift er das caballo von unten her an, hat er sogar die Möglichkeit den picador samt Reiter Und Pferd zu trennen. 
Das Pferd steht nur noch auf einem Bein und man kann davon ausgehen,
dass es dem toro gelingen wird den picador zu Fall zu bringen.
  • Handelt es sich um einen kräftigen toro, und greift er das caballo von unten her an, hat er sogar die Möglichkeit den picador samt Pferd in den Staub der Arena zu befördern. Nachteil von diesem "Unfall" ist, dass, sobald das Pferd wieder steht und der picador wieder seinen Platz eingenommen hat, sich nicht selten mit einem recht brutalen Zustossen der pica rächt.
Wenn das Pferd nicht richtig standhaft auf den Beinen steht, kann es passieren, dass es stürzt
und der picador fällt völlig ungeschützt auf dem Boden. Da ist ein schnelles Eingreifen
der banderilleros von höchster Notwendigkeit.

Es sei festgestellt, dass so ein Kampfstier schneller beschleunigt als ein Rennpferd und der picador kaum Zeit zur Verfügung hat seine pica von einem schwerbeweglichen, geradezu gepanzertem Pferd punktgenau auf die Stelle im Muskelschwund des toros zu setzen. Gelingt es ihm aber und er hat das Glück einen wahrhaftigen toro bravo zu haben wird es am Ende des ersten tercios mit Applaus aus dem ruedo begleitet. 

In den plaza de toros der ersten und zweiten categoría sollte der toro den picador dreimal angreifen. Auf Wunsch des matadores wird es jedoch meisten auf zwei Angriffe reduziert, indem der matador mit der montera auf den presidente zeigt und einen Wechsel des tercios andeutet. Damit will der torero erreichen, dass das Tier nicht zu sehr geschwächt wird und er eine ordentliche faena durchführen kann.

Zwischen den einzelnen Angriffen werden die toros von den banderilleros und matadores vom picador weggeführt. Wobei es den matadores gestattet ist elegante Manöver durch zu führen, welche als quites bezeichnet werden. Davon mehr im nächstes Teil.

Fortsetzung folgt

© Philip de Málaga
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