Samstag, 31. Mai 2014

Das erste Mal (6. Teil)

HINWEIS: Die blau-kursiven spanischen Fach-Begriffe
sind mit dem deutschsprachigen Lexikon des Stierkampfs verlinkt.

Wer das erste Mal einen Stierkampf besucht sollte gewisse Punkte bedenken

6. Teil: Der Auftritt des Matadors und die Verónica
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von Philip de Málaga



Nachdem der matador im goldenen traje de luces, den toro in kürzester Zeit versucht zu verstehen, betritt er selbst langsamen Schrittes das ruedo und platziert sich in der Regel in der Nähe der barrera. Nun liegt es an den banderilleros im silbernen traje de luces den toro dem matador zuzuführen. Dieser erwartet den Stier, lässt ihn ein paar Mal der capa folgen, damit der toro sich auch auf jene capa konzentriert. Damit der toro in der capa den Feind sieht. Dann setzt der matador zum ersten Manöver an. Der verónica.

Dabei hält der torero die capa mit beiden Händen frontal zum toro und versucht ihn zu locken um ihn an sich vorbei führen zu können. Es ist das erste Manöver wo der matador mit beiden Füssen fest auf dem Boden steht, ohne sich zu bewegen, mit der capa den toro zu empfangen, um diesen in einer eleganten Bewegung um sich herum zu führen. Es ist die erste suerte, wo der matador den toro beherrscht.

Ein torero lockt den toro mit der capa
Der torero führt den toro an sich heran
Der torero führt den toro an sich vorbei

Jenes Manöver nennt man verónica. Ein jeder der in irgend einer Weise mit dem Stierkampf konfrontiert ist hat diesen Namen schon mal gehört. Nach irgendeiner Heiligen benannt, und die ganz Schlauen wissen sogar etwas von einem Schweisstuch zu berichten. Und es stimmt.

Die Figur trägt den Namen nach der Heiligen Veronica, einer angeblichen Jüngerin von Jesu Christi, obwohl nicht sicher ist, ob sie überhaupt existiert hat. Auf seinem Kreuzweg soll sie Jesu ein Schweisstuch mit beiden Händen in der Art gereicht haben, wie eben jenes Manöver der toreros ausgeführt wird. So zumindest stellt es sich in zahlreichen Kunstwerken dar.


Die Erfindung des Manövers der verónica wird Joaquín Rodríguez, bekannt unter dem Namen Costillares (1746 - 1799), zugeschrieben. Überhaupt war er der erste torero der begann mit capa und muleta die ersten kunstvollen Manöver zu vollführen. Die Namensgebung ist aber von José Delgado "Pepe Hillo" (1754 - 1801) erfolgt, der diese Figur in seiner tauromaquia von 1796 erstmals schriftlich festhält.

Nachdem der torero einige verónicas ausgeführt hat beendet er seine Serie an Manövern mit einem sogenannten remate, zum Beispiel mit einer media verónica oder einer revolera, wobei er die capa so um sich schwingt, dass der toro ins Leere läuft.





- Fortsetzung folgt

© Philip de Málaga

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Die Serie für Neueinsteiger bei SfA:

Dienstag, 27. Mai 2014

Das erste Mal (5. Teil)

HINWEIS: Die blau-kursiven spanischen Fach-Begriffe
sind mit dem deutschsprachigen Lexikon des Stierkampfs verlinkt.

Wer das erste Mal einen Stierkampf besucht sollte gewisse Punkte bedenken

5. Teil: Der Stier betritt das Geschehen
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von Philip de Málaga


Nun ist der Moment gekommen. Die corrida kann beginnen. Der presidente wedelt mit dem weissen pañuelo und eine Mini-banda von drei bis vier Personen über dem toril, das Tor wo der Stier rauskommt, gibt mit ihren Trompeten das offizielle Signal, den ersten toro einzulassen.

Bevor der toro das Geschehen betritt, kommt ein Mitarbeiter der empresa mit einem grossen Schild ins ruedo, auf dem das Publikum lesen kann, wie der Stier heisst, aus welcher ganadería er stammt, wann er geboren ist und vor allem mit welchem Gewicht, also mit welchem peso er antritt. In einigen plaza de toros werden diese Informationen nicht im ruedo gezeigt, sondern ein jeweils aktuelles Schild ist über dem toril angebracht.

Der Mann vor dem toril, der torilero, betritt das ruedo um herauszufinden, ob alle, also der matador und die banderilleros, bereit sind den ersten toro zu empfangen. Dann begibt er sich zum toril und öffnet es. In einigen plaza de toros hört man das Klappern der Tore hinten in den corrales, wenn der Stier durch ein Gangsystem ins ruedo geleitet wird.

Hinter einem burladero im Schattenbereich wo sich die toreros mit ihren Utensilien aufhalten sieht man den matador de toros, wie er sich konzentriert, manchmal betet, und gespannt auf das toril blickt um zu sehen, in welcher Verfassung sich der toro befindet.

Und dann betritt der toro das Geschehen. Alle Augen sind auf das toril gerichtet. Wie wird der toro das ruedo betreten.

(Foto: Dr. Andreas Krumbein)
Betritt er zögerlich das ruedo, galoppiert er gleich auf die toreros, auf alles was sich bewegt zu? Kurz formuliert, greift er schon von alleine an, oder muss man ihn erst dazu bringen anzugreifen. Wenn toros schon vor dem ersten tercio sich dermassen zurückziehen, ist es für den matador sehr schwierig eine lidia, also den Stierkampf in seiner Gesamtheit, aufzubauen.

In solchen Fällen kann es passieren, dass der toro ausgetauscht wird. Erst recht, wenn der toro behindert wirkt, also ein hinkendes Bein oder ähnliches. Das Publikum beginnt in der Regel zu protestieren, und der presidente spricht sich mit seinen beiden Beratern ab. Wenn er sich schliesslich dafür entscheidet den toro auszutauschen schwingt er das grüne Taschentuch. Dies geschieht in der Regel bis zum Beginn des ersten tercio. Darauf hin werden abgerichtete Ochsen, die cabestros, ins ruedo gelassen, welche den toro wieder durch das toril in die corrales begleitet sollen. Danach wird ein Ersatzstier, ein so genannter sobrero eingelassen.


Cabestros begleiten den toro raus (Foto: Dr. Andreas Krumbein)
Normalerweise empfangen die banderilleros den toro. Aber sie sollen und dürfen keine Figuren ausführen. Dies ist auschliesslich das Privileg der matadores. Die Aufgabe der banderilleros ist es in diesem Fall den toro zu bewegen. Dazu schleifen sie die capa hinter sich her um den toro dazu zu bringen das ruedo mindestens einmal zu durchrunden.

Der matador steht am Rand hinter einem burladero um den toro zu analysieren. Greift er gerade an, mit welchem Horn attackiert er, wie wendet er sich, kommt er zögernd in die Gänge, bremst gar ab, schmeisst er beim Angriff den Kopf nach oben? Kurz, der matador hat nur ungefähr eine Minute um sich über das Angriffsverhalten ein Bild zu machen, bevor er selbst dem toro mit der capa entgegen tritt.

Manchmal geschieht es, dass die matadores auf diese Analyse verzichten und den toro direkt vor dem toril auf den Knien empfangen. Dabei halten die matadores die capa vor sich und in dem Moment wo der toro das ruedo betritt und auf den torero zugaloppiert schwingt der matador die capa in einem grossen Bogen um seine rechte oder linke Schulter und der toro folgt meistens der capa und galoppiert knapp an dem knieenden matador vorbei. Das Manöver nennt sich porta gayola.


Die porta gayola ist vor allem gefährlich, weil der matador keine Möglichkeit hat dem angreifenden toro auszuweichen und wenn der Stier der capa nicht folgt, wird der matador zur Zielscheibe.


- Fortsetzung folgt

© Philip de Málaga

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Die Serie für Neueinsteiger bei SfA:

Montag, 26. Mai 2014

Ehrenauszeichnung für einen Torero




von Philip de Málaga


Der matador de toros El Cid 
wurde in Sevilla vom Kreistag mit der Goldmedaille ausgezeichnet
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Der matador de toros El Cid wurde in der andalusischen Hauptstadt Sevilla vom Kreistag mit der Ehrenmedaille in Gold ausgezeichnet. Die Übergabe wurde von Susana Díaz, der Präsidentin der andalusischen Landesregierung vorgenommen. Den Preis erhielt er vor allem wegen seiner "Tiefe und Reinheit als torero zu agieren".


Der matador El Cid gab sich bescheiden:
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"Diese Auszeichnung sehe ich nicht nur für mich, 
sondern ich sehe sie als eine Anerkennung 
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Manuel Jesús Cid Sala ist im März 1974 in der kleinen Gemeinde Salteras (in der Provinz Sevilla) als Sohn eines ganaderos und Bruder eines novilleros geboren. Seit 1992 debütierte er als novillero "El Paye". Seine alternativa hatte er im April 2000 in Las Ventas. Doch dabei konnte er nicht mehr als nur ovación erreichen. Seinen taurinischen Highlight hatte er im Jahr 2000 wo er in der Real Maestranza de Sevilla gleich zwei Mal triumphierte und die plaza Ende März und Anfang April durch die Puerta del Príncipe verliess. Mit jeweils drei orejas.

Sonntag, 25. Mai 2014

Wenn die Kirche zum Stierkampf geht

Gestern bei der corrida in Las Ventas von Madrid:

Diesmal kein Kommentar.
(Foto: mundotoro, Julián López)
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Andere SfA Reportagen über Kirche und die mundo de los toros:

Samstag, 24. Mai 2014

Auch Toreros weinen




von Philip de Málaga


Die abgebrochene corrida in Madrid fand internationales Interesse
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Auch führende deutsche Medien berichteten davon. 


Link zum Artikel: Auch Toreros weinen






Mittwoch, 21. Mai 2014

Corrida nach dem zweiten Stier beendet



von Philip de Málaga
(Fotos: mundotoro)


Madrid: Alle drei matadores in der Krankenstation
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Wirklich erstaunlich was bei dem zwölften festejo taurino in Las Ventas in Madrid geschah. Bei der corrida fanden sich schon nach dem zweiten toro alle drei matadores de toros, David Mora, Antonio Nazaré und Jiménez Fortes in der enfermería. Alle drei toreros wurden von den toros mit volteretas regelrecht durch die Luft gewirbelt. David Mora erwischte es gleich bei der porta gayola, weil der toro dem capote nicht folgte. Nazaré erfuhr eine voltereta beim quite. Und Jiménez Fortes hatte beim zweiten toro gleich drei volteretas.




Das letzte Mal wurde in Las Ventas eine corrida 1979 annulliert, auch deswegen weil alle drei matadores Ortega Cano, El Niño de Aranjuez und Paco Alcalde in der Krankenstation landeten. Nach dem vierten toro war die corrida beendet.


Und nur zwei Tage vorher wurde ebenfalls ein festejo taurino nach dem vierten toro beendet. Diesmal landeten die matadores Rafael de Paula, Ruiz Miguel und Manolo Cortés in der enfermería.

Auch 1975 wurde bei einem mano a mano zwischen Ruiz Miguel und Antonio José Galán sogar der sobresaliente Julián de Mata schwer verletzt. Alle kamen in die enfermería.

Dienstag, 20. Mai 2014

Über das Umgehen mit den Stieren



von Rainer Bischof


Die fiesta de toros ist das letzte mystische Schauspiel des Todes in der europäischen Kultur. Das versteht sich als eindeutiges Bekenntnis des Wissenschaftlers und Künstlers aus Wien.


"Das Umgehen mit den Stieren muss immer von Liebe zu den Stieren, also das was wir als afición bezeichnet haben, von Respekt, von Ehre, Kenntnis, Kunstfertigkeit gekennzeichnet sein. Das Töten des Stieres ist nicht als Auslöschen, Vernichten zu erklären, weil es eben immer im Gedankenmoment und in der geistigen Verpflichtung der Opferung steht. Die Opferung steht in gänzlich anderer Tradition als ein leeres Töten. In diesem Zusammenhang darf man aber einen Aspekt nie vergessen:  Dass die corrida in ihrem Ablauf ein Abbild des Lebens darstellt."

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Quellennachweis:
Heilige Hochzeit, Rainer Bischof
Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar, 2006

Sonntag, 18. Mai 2014

In den tendidos von Madrid

Auffallend wie sich junge Damen für die mundo de los toros interessieren. In den den tendidos der spanischen Hauptstadt Madrid, in Las Ventas, der grössten plaza de toros von Europa, finden sich zahlreiche junge Ladys welche interessiert das festejos taurino verfolgen. Hier eine Fotoserie von mundotoro:











Donnerstag, 8. Mai 2014

Der Torero, ein Gentleman





mit El Juli


Der matador de toros Julián López El Juli stellt sich der mexikanischen Ausgabe von Gentleman. Mehr noch, er befindet sich auf der Titelseite.

Auf die Frage, was eigentlich ein torero sei bezieht er klar Stellung: Noch nie ist es so wichtig gewesen dieses zu erklären. Ich denke es herrscht viel Unwissenheit über die fiesta. Wir erleben derzeit einen sehr delikaten Moment. Während vieler Zeit, wo alles eigentlich gut gelaufen ist, ist jeder seiner eigenen Weg gegangen und jetzt müssen wir die Konsequenz daraus ziehen. Alle sind dafür verantwortlich, mich eingeschlossen.

Bezüglich des reglamento taurino sagte er folgendes: Da finden sich absolut absurde Regelungen. Warum erlaubt es die quites nur ab dem zweiten puyazo und nicht schon beim ersten? Warum ist die faena mit der muleta zeitlich limitiert? Ich bin ein Befürworter, dass der torero selbst verantwortlich sein sollte für seine Vorstellung und dementsprechend auch vom Publikum bestraft oder mit einer Prämie für seine Leistung belohnt wird.

Wir wollen das toreo als Kulturgut schützen doch irgendwie ist es beim Ministerium für Kultur noch nicht richtig angekommen. Und auch die Gesellschaft weiss nicht richtig genau was geschieht. Ein wenig absurd.

Es störte mich sehr, dass ich wie ein Kind behandelt wurde, dass mein toreo nur dass als eines Kindes angesehen wurde, und man in mir keinen torero sah. Es fällt mir schwer zu erzählen, was in meiner Jugendzeit geschehen ist, damit sich die Welt erinnern kann. Aber ich denke, ich habe derzeit mehr kindlichen Geist als zuvor.

Über seine schwere Verletzung in Sevilla: Das erste Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl zu sterben. Und es ist wahr, diese Verletzung hat mein Leben verändert. Es hat mich viel gekostet zurückzufinden, ich hatte Anämie und einfach das Gefühl zu sterben.

Dienstag, 6. Mai 2014

Wenn der Stier angreift




von Georg Hensel


"Kein Stier greift einfach ein rotes Tuch an - 
er greift erst an, 
wenn sich das rote Tuch so bewegt, 
dass er es für einen Feind hält, 
präzise: 
er greift an, wenn er Angst hat vorm roten Tuch."

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Quellennachweis:
Stierkampf in Wort und Bild, Georg Hensel
Verlag S. Toeche-Mittler, Darmstadt, 1987

Sonntag, 4. Mai 2014

Ostersonntag in Málaga (3. Teil)

Málaga - Domingo de Resurrección - 20 de Abril de 2014
El Tarde de Morante y El Juli
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von Torodora Gorges
(Fotos: HJD)


14 Minuten Verspätung! Die alguaciles reiten auf ihren Pferden ein. Beifall brandet auf. Dann endlich die toreros mit ihren cuadrillas, Morante links, El Juli rechts, der sobresaliente, dessen Namen ich nirgends erwähnt fand, dahinter. Beide Protagonisten tragen besondere Paradecapas, es sind Repliken der Paradecapas von Joselito und Belmonte. Nach dem Gruss zur Präsidentenloge, heute besetzt von einer jungen blonden Präsidentin, der Schwester von dem populärem Moderator von TPT Enrique Romero, nehmen die maestros ihren Platz im callejón ein, von wo sie zunehmender Willkommensbeifall des Publikums erst noch einmal ins ruedo ruft.


Nun aber geht es los, der erste Stier für Morante ist angekündigt. Sehr schnell zeigt sich, dass dieser toro aus der Domecq-Zucht nichts taugt, er ist schwächlich!  - "Una vaca!" - schimpft das Publikum. Die cabestros mit den schweren Glocken um den Hals holen ihn aus der Arena.


Er wird gegen einen toro von Victoriano del Río ausgewechselt, mit dem sich Morante "anfreunden" kann, ein Morante, der an diesem Nachmittag überaus motiviert und gut gestimmt wirkt. Dass immer noch ein bisschen Regen fällt, scheint ihm wie den Zuschauern nichts auszumachen. 


Wir erfreuen uns an seinen grandiosen (limitierten) veronicas  und an der, nach den picadores folgenden, quite von El Juli mit chicuelinas und cordobinas. Völlig fasziniert  verfolge ich dann, wie Morante den Stier mit der muleta behandelt: 


liebevoll, mit großer Sanftheit und unendlicher Langsamkeit, er geht zärtlich auf ihn ein. Suave! Das Tuch schwebt über dem Rücken des Tieres wie ein großer Schmetterling, bleibt fast stehen.  Zeitlupe! Das habe ich mich in letzter Zeit, wenn ich ein aktuelleres Video von Morante sah, öfter gefragt: Ist das Normalzeit oder "a cámara lenta" aufgenommen? - Die banda de música setzte ein, von mir wie schon oft bei ähnlichen Gelegenheiten fast als störend empfunden. Sie brach nach einer Weile grundlos ab, was das Publikum und wohl auch Morante irritierte! Weshalb die Musiker zu spielen aufhörten, blieb mir verborgen. 

Die Energie des Stieres liess nach einer Reihe von mitreissenden muletazos und mit empfindsamer Langsamkeit ausgeführten naturales nach. Es gefiel mir sehr, dass José Antonio dennoch bis zuletzt seinen liebevollen Umgang mit diesem Stier nicht aufgab. Nach dem Intermezzo des hässlichen pinchazo, das von einem rauen Seufzer des Publikums begleitet wurde, gab es eine estocada, die den Stier wanken ließ. Morante wendete sich dem sterbenden toro (Botellero hieß er) zu, lenkte seine rechte Hand an das linke Horn des Tieres, begleitete ihn mit seinen Blicken, bis er einknickte. Das spielte sich direkt an der barrera zum tendido 6 ab, in dem ich mit meinem fotografierenden Freund sass. 


Das glückliche Kinderlächeln, das Morantes Gesicht in dem Moment erhellte, als er den Stier verabschiedet hatte, konnte der Fotograf nicht aufnehmen. Die Zuschauer waren aufgesprungen, die Spannung hatte sich gelöst, dankbarer Applaus folgte.  Einige weiße Tücher wurden geschwenkt, aber es gab kein lautstarkes Einfordern einer Trophäe. Man war einverstanden mit dem Reglement: ein pinchazo, kein Ohr! Jeder schien damit zufrieden. Das kenne ich aus anderen plazas kaum noch. Ausnahmen sind da oft die Regel.

El Juli gefiel mir mit seinem ersten Stier, Gladiador (aus der ganadería Garcigrande),  sehr gut. Ich hatte den  Eindruck, als ginge auch er sanfter um mit diesem Tier, mehr "artista" als Gladiator-Torero. Das kann er auch!! Und ein wirklicher Genuss war zu erleben, wie er, die Füsse parallel gesetzt, ohne Bewegung, den Stier, fest an die muleta geheftet um sich herumführte. Auch diese "faena pletórica"  (so nachzulesen bei mundotoro) blieb ohne Trophäen wegen der fehlgegangenen estocada. Schade!


Weder der zweite Stier Morantes (Domecq) noch der zweite von El Juli (V. del Río) liessen ihren toreros die Chance zu glänzen. Morantes toro habe "ni raza ni fondo" gezeigt. El Juli ärgerte sich darüber, dass sein toro die tablas suchte, also immer wieder davonlief. Auch diese estocada misslang.

Man machte sich nun schon Gedanken, weshalb die Stiere, die doch mit Umsicht und Sorgfalt von den maestros selbst und ihren Beratern ausgewählt worden waren (kein sorteo, kein Pech beim Auslosen!), bisher so ein schwaches Bild boten. Niemandem sonst konnte die Verantwortung oder die Schuld dafür gegeben werden. Das Problem, dass die Stiere immer mehr in die Richtung der Bedürfnisse der figuras gezüchtet würden, wird ja allgemein immer dringlicher diskutiert. So stellte es sich auch hier wieder ein.

Noch konnten wir auf die beiden letzten toros des mano amano setzen. Morantes dritter, ein Jandilla, liess allerdings auch leider richtige Angriffslust vermissen. "Schöne" veronicas waren nicht möglich, aber, wie es in mundotoro hiess: "Lo templa mucho, toreando con las muñecas."  - Doch Morante - wer ihn kennt, weiss, dass das sehr selten vorkommt - widmete diesen Stier dem Publikum, das ihm applaudierend dankte. Für mich signalisierte diese Geste Hoffnung! Er würde mit diesem toro keinen kurzen Prozess machen, auch wenn es der kein "Angreifer" war, es an embiste mangelte. Was wir zu sehen bekamen, war Wollen und Können, künstlerische Meisterschaft gepaart mit  Mut, bewundernswerter Geduld und erneut diese unglaubliche Langsamkeit in der Ausführung der  lances und pases, zuletzt noch begleitet von der Musik eines Pasodoble! - Keine Trophäe, verhindert durch das descabello! (Am Rande sei erwähnt, dass Morante schon beim ersten Stier seine Schuhe abgestreift hatte, was auch wieder beim letzten Stier der Fall war und vom Publikum jeweils mit Raunen kommentiert wurde.) 


Der letzte Stier des Nachmittags (Zucht Domingo Hernández) wurde von El Juli mit einer spektakulären porta gayola empfangen. Er schien alles daran zu setzen zu triumphieren.  Jetzt war er ganz der "Gladiator", wie man ihn kennt: autoritärer Herrscher, dominierende Autorität, den Boden stampfend (ich will ihm nicht Unrecht tun, empfinde diese Gesten aber immer wieder als unsensibel vulgär), technische Perfektion! Die puerta grande schien nahe. Aber es sollte nicht sein. Der Degen traf nicht.


Ein Nachmittag ohne Trophäen, ohne Triumphe!  Einige weisse Taschentücher waren geschwenkt worden, liessen aber die Präsidentin unbeeindruckt. Die Zuschauer waren zufrieden. Niemand eilte vorzeitig davon, wie es ärgerlicherweise so oft vorkommt.  Beide matadores und ihre cuadrillas wurden mit respektvollem Beifall dankbar aus der plaza verabschiedet. Eine wohlerzogene und sehr einfühlsame afición, die von Málaga!! Kein Zeichen von Enttäuschung oder gar Verärgerung darüber, dass die puerta grande am Domingo de Resurrección nicht geöffnet wurde.

Als Morante zur estocada mit seinem ersten Stier angesetzt hatte, war aus dem tendido eine Stimme erschallt: "El Arte no tiene miedo!"  (Die Kunst hat keine Angst!). Dieser Zuruf gab einer gewissen Skepsis Ausdruck, wirkte kritisch provozierend. Aber der Slogan Morantes als  Anspruch und Versprechen wurde an diesem Nachmittag von beiden toreros eingelöst und vom Publikum  honoriert.