Donnerstag, 12. September 2013

Ein Brief an SfA

Lieber Philip!

Deine und Colins Beiträge über Morante de la Puebla in Ronda sind Ausdruck dessen, was Morante den Menschen, die ihn mit den toros erleben, vermittelt.

Die Schmetterlingsflügel des duende haben Euch gestreift! Ihr habt eine Sprache gefunden, die dem Stil des toreo  Morantes angemessen ist. Auch wenn Ihr selbst nicht in Ronda anwesend sein konntet, habt Ihr die Atmosphäre dort und die taurinische Poesie des maestro de la Puebla nachvollziehen können. 

Wie der Begriff "duende" zu verstehen ist, wie er jemandem verdeutlicht werden kann - darüber kann immer wieder neu reflektiert und diskutiert werden. Dir, Philip, ist es mit Deinem Aufsatz "Morante, wie lassen sich eigentlich diese Emotionen erklären?", den Du gestern eingestellt hast, gelungen, dem Leser eine Ahnung davon zu übertragen von der "Fern - Wirkung" des duende. Der duende ergreift Besitz von einer Person, die es nicht darauf angelegt hat, von ihm, dem "Geist" besessen zu werden. Man gerät in religiöse oder esoterische Dimensionen, denkt an den Heiligen Geist, besonders an dessen Rolle im Katholizismus. Sieht man den Rausch, die Ekstase, wie sie die zuschauenden Menschen in Ronda ergriffen hat, genügend Videos darüber zirkulieren - gracias a Díos - im Internet, erlebt man diese Gefühle mit. Du hast  den Mechanismus der Übertragung sehr gut beobachtet und beschrieben. So empfinden Morantistas!

Morante de la Puebla in Ronda - Verzauberung im Rund der Maestranza
Auch der "embrujo" spielt dabei eine Rolle. Embrujar als "verzaubern" oder "betören", wo gelingt das eigentlich außer in der Kunst oder in der Liebe? Und wer weiß nicht, dass Verzauberung und Betörung flüchtige Momente sind?! Deswegen "lohnt" es sich immer, Morantes toreo zu erleben. Es "zahlt sich nicht aus", nein. Aber der/die  Morantista wird belohnt mit ewigen betörenden Augenblicken, die in der Erinnerung haften. Bei seinem dritten Stier in Ronda gelang Morante eine media verónica, die eine Ewigkeit anhielt. Wiederholtes Anschauen des Videos bestätigten, dass es wirklich keine Zeitlupe war. Carlos Bueno schreibt in seinem heutigen Artikel  (burladero.com) : "La media de remate al tercero de la tarde pellizcó el alma." Das Berührtwerden der Seele!

Was an Morante so "betörend" ist und einmalig, ist sein Suchen danach, die alten Vorbilder wieder aufleben zu lassen. Du hast ja selbst einige erwähnt. Er studiert deren Umgehen mit den Stieren anhand der Fotos und der oft schon sehr ramponierten Filmaufnahmen, die zum Glück ganz gut restauriert werden konnten. Dann entzücken die geglückten Neuauflagen der alten Pases alle Morantistas. Und, dass es ihm so fantastisch gelang, vom klassischen Stuhl die kurzen banderillas zu setzen, das hat doch Morante selbst zum Staunen gebracht. Er riss mehrfach die Arme hoch - sicher vor Freude. Es hätte ja auch "schief" gehen können, ganz ungefährlich war das nicht.

Meine Freundin, die das Glück hatte, in Ronda zu sein, schrieb, dass sie vor Ergriffenheit des Nachts nicht einschlafen konnte.

Und nun ist Morante auch zum Ehrenbürger seines Heimatorts Puebla del Río ernannt worden. Aber auch das klingt auf Spanisch viel schöner: "Morante - hijo predilecto de la Puebla!"

Viele Grüsse

Torodora

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Anmerkung von SfA:
Torodora Gorges ist wohl die Morante-Expertin in Deutschland und Verfasserin der ersten deutschsprachigen Biographie über einen Stierkämpfer. Ihr Buch Morante de la Puebla - Torero, Portrait eines spanischen Künstlers (ISBN 978-3-8391-5692-6) wurde 2010 veröffentlicht.

MORANTE für ALLE

Morante de la Puebla in Ronda
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Der dritte toro: dos orejas


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Das Setzen der banderillas beim letzten toro


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Morante de la Puebla mit der capa


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