Dienstag, 23. April 2013

Sevilla und die Stiere




von Collin Ernst


Eine Zusammenfassung über eine der wichtigsten ferias taurinas in Spanien
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Vor dem encierro José María Manzanares in Sevilla, sah ich das Foto des Victorino Stieres.
Welch ein Prachtexemplar: Gesicht, mit großen, ehrlichen, wachen Augen, die Hörner schön geschwungen, nicht zu groß und ausladend, aber keineswegs kleine, nach innen gebogene. Der Körperbau athletisch, gut bemuskelt, nicht fett und eine außergewöhnliche Farbe, die man nicht sehr oft sieht. Ein wirklich schöner Kerl, der auch mit seinem Gewicht im guten Maß bleibt.

Nun war ich sehr gespannt, was der "Prinz von Sevilla" (Manzanares "Titel" vom letzten Jahr), mit diesem Stier an zu fangen weiß. Wie bekannt, war das Fernsehen in Sevilla ausgeschlossen, aber Dank Internet, konnte ich mir doch einige Sequenzen ansehen. In Manzanares habe ich mich nicht getäuscht, ein Victorino ist (noch) nichts für ihn. Die Zeit ist noch nicht reif.

Einen Victorino muss man verstehen, in ihm lesen können, und dazu braucht es Erfahrung. José María lamentierte in einem Interview (aplausos) das der toro nicht "ruhig" war, ständig wären seine Ohren in Bewegung gewesen und er hätte auf alles um ihn herum reagiert. Nun, ein guter toro bravo ist eben ein Kampfstier, der wachsam ist, der auch Detailles wahrnimmt. Es sei denn das der torero "transmitiert" - vermittelt, überträgt.
José María Manzanares mit einem derechazo
(Foto: mundotoro)
Genau an diesem Punkt, kommen wir zu etwas Mysteriösem, was nur wenige besitzen und noch wenigere können es vermitteln : Selbstsicherheit. Ein in sich ruhender, sicherer torero  überträgt das auf den toro - genau wie die zahmen Ochsen, die den Stier mit ihrer ruhigen behäbigen sicheren Art, beruhigen.

Manzanares will Kunst zeigen, el arte del toreo, was ihm auch schon oft, mit anderen Stieren, gelungen ist. Aber ein Victorino ist etwas Besonderes. In denen fließt Blut aus alten Zuchtlinien wie Miuras und Saltillos, toros, die nur aufs Kämpfen, nicht aufs Verteidigen, gezüchtet sind. Sie sind vergleichbare Ferraris, Porsche gegen Audi und Mercedes. Sie denken anders und schneller, folgen ihren Instinkten sehr schnell, damit muss sich der torero erstmal auseinander setzen. Sie sind nicht nur auf "schön Aussehen" gezüchtet, sondern in erster Linie zum Kampf, auf Angriff gedrillt.

Juan José Padilla
(Foto: mundotoro)
Daher haben matadores, wie Juan Jose Padilla, der eher ein "Guerrero" (Krieger) ist, mit diesen Stieren weniger Probleme und sind eher in der Lage, Ihnen zu folgen, als ein " Künstler". Natürlich spielt auch die Erfahrung eine große Rolle, ein Enrique Ponce, ein El Juli, die können Stiere "lesen" und, was ich persönlich an ihnen schätze, sie können auf Grund ihres Wissens, Ihres Einfühlungsvermögens,  fast alle Stiere gut aussehen lassen.

Meine persönliche Meinung ist, das Manzanares noch ein paar Jahre benötigen wird, bis er mit dos orejas y rabo, oder gar einem indulto, der ganadería Victorino Martín belohnt wird. Der toro bravo aus Sevilla bekommt von mir persönlich dos orejas (armer Jose María ...).

Das mano a mano von El Cid und Daniel Luque, ebenfalls mit Victorinos, zeigt dem geneigten Zuschauer, die Unterschiede auf. Die toreros konnten nicht wirklich glänzen, mit den Victorinos bei diesem mano a mano. Aus meiner Sicht, hat El Cid seine Hausaufgaben gemacht und profitiert natürlich von seiner jahrelangen Erfahrung. Er konnte den Stier an sich binden, hielt ihn beschäftigt. In schneller Abfolge vollführte er die Figuren und Drehungen, den toro keine Sekunde aus den Augen lassend. Mit Victorinos kann und muss man wohl manchmal solche Wege gehen. Diese Stiere fordern viel von einem torero denn der kleinste Fehler, eine Unachtsamkeit, oder falsch interpretierte Reaktion, und schon hat er Dich.                                                                                                              

Der matador de toros El Cid,
zufriedene toreros sehen anders aus
(Foto: mundotoro)
Es ist also nicht einfach, einen Kampf zu liefern, bei dem der matador glänzen kann, der das Publikum in den Bann zieht. Oft zollt der torero den schwierigeren Stieren Tribut, zu Lasten seiner Kunst, die das Publikum erwartet. Besonders Stiere wie die Miuras oder Victorinos, oder die mexikanischen Piedras Negras, liefern gerne verbissene Auseinandersetzungen und oft gelingt es diesen Stieren, einen Künstler zum reinen Akteur zu degradieren. Der torero kann nur noch reagieren. Der schöne Schwung der capa verkommt zu einem hektischen Gewedel und Gerenne, die elegante Art der muleta, langsam und tief, wird zackig weggerissen, schnell vorbeigezogen, die erwarteten "Kapriolen", wie das Hinknieen vor dem toro  oder lässiges auf dem estribo Sitzen, fällt flach. So hat es mich nicht wirklich gewundert, das El Cid nur ein oreja bekam, Luque gar keins..., selbst der Applaus hielt sich in Grenzen.

Man darf nicht vergessen, dass der empresario, also der Betreiber der plaza de toros, die Stiere aussucht. Und die toreros auch. Dem Publikum von Sevilla fehlte es dieses Jahr ein wenig an "richtigen" Stieren, zumindest sind das oft gehörte Kommentare, zuviel von Domecq..., zu kleine toros zu schwer, zu langsam, oder eben das Gegenteil von "guten" Stiere, eben jenen toros bravos, und mit einfach nur durchschnittlichen toreros. Man kann es keinem Recht machen, es bleibt ein Glücksspiel.

Oft kommt ein toro bravo voller Feuer aus dem toril und nach dem ersten Kontakt mit dem Pferd (tercio de varas), und ein paar schönen lances mit der capa ist die Luft raus. Der Stier ist ausgepumpt und bewegt sich kaum noch. Der matador kann ihn nur noch schwer ermuntern, sich der muleta zu stellen. Nun hagelt es pitos (Pfiffe) und broncas (Schimpferei), mal wegen dem Züchter, der so einen schwachen Stier schickt, oder wegen dem unfähigen toreros  der dem Tier keine pases mehr entlocken konnte.

El Juli mit seinem ersten Stier
(Foto mundotoro)
Die toros von Toros del Cortez, eine Zweigstelle, ein zweites hierro der ganadería Victoriano del Rio, forderten in Sevilla Blutzoll. El Juli, einer der besten, erfahrensten matadores  erwischte der erste Stier heftig am Oberschenkel. Lebensgefährlich! Ein Drittel des Beins durchbohrt, eine fünfzehn Zentimeter cm cornada, die Femoralaterie wurde verletzt. Ohne sofortiges Eingreifen eines Arztes, tötlich und die Infektionsgefahr einer solchen cornada ist enorm hoch.

Vor einer Woche führte El Julis Weg aus der Arena, durch die Puerta de Principe, diesesmal durch die Tür zur enfermería. Angesichts dieses Unglücks, wer will sich da noch über zu kleine, oder zu fette Stiere beschweren - sie sind alle lebensgefährlich. Der Stier, aus der Toros del Cortez Zucht, führt übrigens auch Domecqblut....

In der gleichen corrida wie El Juli, kämpften Manzanares und Antonio Nazaré, letzterer konnte das Sevillaner Publikum überzeugen, bekam die dos orejas für eine gute faena, was wohl auch damit zu tun hat, das Nazaré ein Sevillano ist.
Antonio Nazaré mit der muleta
(Foto: mundotoro)
Die toros der ganadería Torrestrella (Álvaro Domecq), die am Samstag für El Cordobés, Juan José Padilla und El Fandi ausgesucht waren, hielten was sie versprachen. Der erste Stier wurde allerdings vom Präsidenten zurückgezogen, da er mehrmals mit den Vorderbeinen einbrach.

Ich frage mich, nach dieser corrida ernsthaft - was will das sevillaner Publikum eigentlich? Alle drei toreros der 1. Kategorie - figuras! Alle haben ihr gesamtes Können gezeigt, inklusive gefährliches Setzen der banderillas. Die Stiere waren durchweg gut. Die estocadas sassen, wie es sein soll und das Publikum war immer noch nicht zufrieden. Woraus besteht dieses Publikum? Aus Touristen? Aficionados ? Was muss ein Stier, ein Stierkämpfer bieten, um hier zu glänzen?

Nun, am letzten Sonntag der Feria de Sevilla, bekommt man "Es" geboten. Der letzte Sonntag gehört traditionell den Miuras. Das cartel bestand aus El Juli, Javier Castaño und Rafael Rubio "Rafaelillo". Nachdem der maestro El Juli ausfällt, darf ein Sevillaner an seiner Stelle antreten : Manuel EscribanoMiuras sind keine einfachen Stiere, schnell, wendig, gefährlich. Javier Castaño hat mit ihnen Erfahrung und er hat seine beiden Exemplare gut gemeistert, besonders der erste war eine Trophäe wert. Rafaelillo kam auch sehr gut zurecht, auch wenn wenig Raum für "Schönheiten" blieb. Die Miuras reagieren schnell, dann nehmen sie auch gern mal den Kopf hoch, versuchen die muleta zu erhaschen, oder was auch immer dahinter ist. Die Überraschung war der "Ersatzmann" Manuel Escribano. Er hatte seine Miuras tatsächlich im Griff. Sein Erster war mit 606 Kilogramm der schwerste, aber dennoch verdammt flink auf den Beinen. Escribanos letzter Stier bot sich einen saubere Vorstellung, eine Demonstration seiner Rasse. Der Sevillaner, der seine banderillas selbst setzte, konnte sein Können zeigen, der Stier seine bravura und so gab es zum Abschluss eine vuelta al ruedo für diesen guten Miura und 2 orejas für den toreros, somit die puerta grande.
Manuel Escribano führt mit einem Miura eine natural durch
(Foto: mundotoro)
Die Stiere, beinahe aller Züchter, waren gut, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Morante de la Puebla verlässt die feria ohne Trophäe, Manzanares konnte mich nicht überzeugen. Meine "persönlichen Ohren" gehen an Padilla, Ventura, El Fandi, El Cordobés, El Juli und Escribano. "Meine besten Stiere", sind nach wie vor die Victorinos und die Miuras, wobei ich dem toro von Manzanares (Victorino) und dem letzten von Escribano ovación und vuelta al ruedo zuspreche. Dem maestro El Juli, wünsche ich schnelle Genesung, schnelle Recuperation, alle meine deutschen aficionado-Freunde haben um ihn gebangt. In diesem Sinne : ¡Fuerza maestro!

Sevilla, die Königsklasse des toreo, fast immer vor vollen tendidos
(Foto: mundotoro)