Donnerstag, 14. März 2013

Begegnung mit den toros (6. Teil)

Sanlúcar, der Toreronachwuchs zeigt sein können
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von Colin Ernst 

Am frühen Morgen verabschieden wir uns von der Stadt Manoletes, die Fahrt zum Bahnhof führt an der Villa des "Califen von Córdoba", Manolete, vorbei. Immernoch hängen die Wolken tief über der Sierra Morena und während der Zugfahrt schüttet es wie aus Kübeln...

Ob Carmelo, der empresario der plaza de toros von Sanlúcar es geschafft hat, das ruedo trocken zu bekommen? Angekommen am Busbahnhof, frage ich einen Sanluqueño, ob es geregnet hat... Ja, aber nicht viel, antwortet dieser. Uns fällt ein Stein vom Herzen. Es sind noch drei Stunden Zeit, bis zur corrida, also noch Zeit für Manzanilla und Tapas im Balbino. Wir sind nicht die Einzigen, die sich dort in der Bar die Wartezeit verkürzen. Mich "plagt" ein Ohrwurm, der pase doble von Manolete hängt mir nach. Ich liebe diese Musik und jeder namhafte torero hat seinen eigenen pase doble. Ein Bekannter hat mir den, eigens, für meinen Freund Román (novillero valenciano), komponierten pase doble geschickt. Román hatte gestern einen großen Auftritt bei den Fallas in Valencia, wo er eine sehr gute Vorstellung mit seinem ersten Stier bot. Leider hat er sich bei dem zweiten den Arm ausgekugelt und konnte nicht weiterkämpfen. Diese Nachricht erreichte uns gestern, während der corrida in Córdoba. So kann es gehen, grade noch auf dem Olymp, dann in der enfemería und aus der Traum von Glanz und Gloria. Ich hoffe das die Türe der enfermeria in Sanlúcar heute geschlossen bleibt.

Gegen halb fünf erreichen wir den Coso del Pinar, ein munteres Völkchen hat sich eingefunden, um den Stierkampflehrlingen, fast alle aus Sanlúcar, beizustehen. Ich erstehe ein Sitzkissen, das alte liegt noch im Coso de Califas, in Córdoba... Die plaza ist fast zu drei Viertel voll, die Stimmung ist super, man kennt sich. In der Mitte des ruedos hat ein Künstler den Sand eingefärbt, "GRACIAS", "DANKE" steht dort, denn der Erlöß geht an Behinderte. Überhaupt, steht dieses Motto im Vordergrund. Eine Gruppe von Menschen mit Downsyndrom und anderen Behinderungen kommt in die Mitte der Arena, eine Sprecherin dankt denen, die dieses Event möglich machten. Es ist rührend zu sehen, wie sich diese Menschen freuen, dort zu sein. Die novilleros werden angekündigt : 

José Ruben Franco
aus Sanlúcar
Eloy Hilario "El Algaideno"
aus Sanlúcar
Fernando González
aus Utrera
Juan de Castilla 
aus Kolumbien
Sergio Salas "El Pijorro" 
aus Sanlúcar
Alejandro Jurado 
aus Sanlúcar


Es ist eine novillada sin picadores, also ohne Pferde, wie sie alle novilleros in ihrer Anfangsphase bestreiten. Auch heute tragen die Protagonisten die schlichte traje corto.

Der erste Stier kommt flott aus dem toril und galoppiert auf die capa schwingenden banderilleros zu. Wir kennen fast alle Beteidigten und sind gespannt, wie sie ihre Aufgaben meistern. Franco überrascht mich. Nach einem kleinen Schnitzer mit der capa, bietet er eine gute, komplete Vorstellung und tötet den novillo mit einer guten estocada entera. Das sah im Training nicht so aus, er ist besser, als erwartet. Der Präsident lässt sich nicht bitten, zwei orejas für den ersten Aspiranten. Begleitet vom Applaus, nimmt er die Trophäehen aus der Hand der Behinderten entgegen und dreht strahlend mit ihnen seine Ehrenrunde.

Eloy
Nun ist es an Eloy "El Algaideno", dies zu toppen. Auf den Knien empfängt er seinen novillo, ein besonders gutes Exemplar, welches nichts zu wünschen übrig lässt. Seine faena sieht recht gut aus und er kommt super an, beim Publikum. Irgendwie erinnert mich seine Art an Juan Padilla... Auch er setzt seine banderillas selbst, und das sehr gut - Die Zuschauer holt es von den Sitzen, meine Kamera leider auch. Bei der muletaarbeit merkt man, das ihm der Stier liegt, er scheint gar nicht aufhören zu wollen, mit seinem Tanz mit diesem novillo. Sein erster Versuch mit der estocada geht allerdings daneben, der zweite Versuch sitzt. Das Publikum fordert energisch das zweite oreja, welches der Präsident ihm zögernt gewährt. Sein Lächeln erreicht die oberen Ränge, als er mit seinen behinderten Freunden die Ehrenrunde dreht. Sogar ein Huhn wird ihm zugeworfen! 

Der drittjüngste novillero Fernando González hat zwar auch einen guten novillo bekommen, kann aber das Gelernte nicht so umsetzen und man sieht deutlich, das er noch mehr Praxis braucht. Aber auch er bekommt ein oreja zugesprochen, was seiner Arbeit entspricht. Ich bin überrascht, wie gut die Stiere sind. Bei novilladas sieht man oft wesendlich schlechtere. Diese hier, aus der ganadería "El Torero", bei Cádiz, haben zwar einige Gebäudefehler, fallen aber nicht auf die Vorderbeine und sind ehrlich und angriffslustig. Der von Eloy bekam sogar eine vuelta al ruedo.

Es ist "Halbzeit" und eine Gruppe der heutigen Ehrengäste kommt in die Mitte der plaza, begleitet, unter frenetischem Aplaus, vom maestro Juan Padilla. Wiedermal nimmt er sich Zeit, um eine gute Sache zu unterstützen. Der matador de toros aus Sanlúcar ist schlicht gekleidet und verschwindet unauffällig auf einen balcón, er will niemandem die Show stehlen.

Juan de Castilla
Nun kommt der kolumbianische novillero Juan de Castilla zum Zug, der mir im Trainig auch schon aufgefallen ist. Selten sieht man einen Nachwuchstorero so perfekt arbeiten. Ohne Schnörkel, aber sauber in seinen muletazos, eng am Stier, ein ganzes Reportoire abarbeitend. Die Olé-Rufe werden lauter und lauter, seine naturales sind sehenswert. Und sein Stier ist besonders gut, folgt dem kleinsten Zucken des Handgelenks mit der muleta. Ich bin beeindruckt von beiden, so klasse waren die Exemplare in Córdoba nicht. Auch die estocada ist wie gemalt. Der junge Mann hat die Arena erobert, Zwei orejas werden ohne Zögern gewährt, und die Rabo-Rabo-Rufe hallen durch die plaza. Nach kurzem Zögern zückt der Präsident das blaue Tuch!!! Und noch ein Tuch wird über die Balkonbrüstung geschwungen, ein kleineres weißes, vuelta al ruedo für diesen sehr guten toro bravo. Bei seiner Ehrenrunde bleibt er vor einem burladero stehen, fordert jemanden auf, in die Arena zu kommen... es ist Ivan Fandiño! Anscheinend ist de Castilla sein Schützling, welch Glück für ihn. Fandiño unterstützt übrigends auch, zusammen mit David Mora, eine Initiative von Juan Padilla, die eine corrida in Madrid austragen werden, zu Gunsten von "El Chano", einem der nach einem unglücklichen Stierkampf im Rollstuhl sitzt. Mit den Erlösen sollen auch andere, die ähnliches Unglück erlitten haben, unterstützt werden. 

Sergio Salas
Als nächstes ist Sergio Salas an der Reihe. Ihm wurde der Stier zugelost, den ich als gefährlich eingestuft hatte, als die ganadería sie im Lokalfernsehn vorstellte. Ein novillo, der unruhig hin und her schaut und dessen Hörner in verschiedene Richtungen zeigen. Sergio wirft seinen Cordobeshut Padilla zu - "Va por usted" (Ich widme diesen Stier Ihnen). Alle Aufmerksamkeit ist beim maestro, keiner schaut auf den Stier, der sich grade sein Opfer sucht. Auch die banderilleros, die eigendlich den torero schützen sollen, sind abgelenkt und schon ist es passiert! Der novillo erwischt Sergio frontal! Endlose Sekunden liegt er am Boden, aber dann steht der Junge aus Sanlúcar wieder auf. Es ist keine cornada, Gott sei Dank, aber die Wucht des Aufpralls könnten Rippenbrüche zur Folge haben. Nun zeigt sich, aus welchem Holz der novillero geschnitzt ist... "El Pijorro" ist hart im Nehmen. Nachdem er wieder Luft bekommt, bearbeitet er den launigen Stier recht gut. Dieser, einmal an den Mann gekommen, macht es ihm nicht einfach. Besonders bei dem Platzieren für die estocada, steht er nicht still, sondern greift immer wieder an. Mit diesem Tier hätte auch ein gestandener matador so seine liebe Mühe gehabt. Aber am Ende fällt auch dieses Exemplar der ganadería "El torero" und das einheimische Publikum fordert orejas. Eines, für die respektable faena, das zweite für den Mut. Sie werden ihm gewährt.

Der Letzte im Bunde ist der jüngste und kleinste novillero, Alejandro Jurado. Auch dieser Stier ist angriffslustig und erlaubt dem jungen Sanluqueño eine gute faena. Besonders mit der muleta sieht er sehr gut aus. Leider sieht ihn die Mehrzahl des Publikums nicht, denn es fallen dicke Regentropfen. Die Andalusier sind nicht an Regen gewöhnt, so scheint es, denn alles stürmt auf die überdachten Ränge. Mich freut es, denn so habe ich endlich einen Platz in der ersten Reihe. Jurado ist sehr gut, den Regen bemerkt er gar nicht und er zeigt einige sehr gute pases, die mir im Gedächnis bleiben werden. Auch ohne die Unterstützung des wasserscheuen Publikums, bekommt er zwei orejas, was seiner Arbeit entsprechen. Mich hat er überzeugt und ich wünsche ihm, das er noch mehr Kämpfe bekommt um sein Können zu zeigen.

Die Besucher suchen schnell das Weite, Regen ist nicht so ihr Ding. Wir sind mit die Letzten, die den coso verlassen. Draussen steht der Transporter für die Mulis, die die Stiere aus der Arena ziehen und wir sehen die Autos, in denen die Helden dieses Spektakels sitzen. Uns machen die Regentropfen nichts aus, nicht mehr, nachdem wir eine Woche lang jede Wolke argwöhnisch beobachtet haben. Meine Freunde, die extra aus Deutschland angereist sind, um diese beiden corridas zu sehen, sind hoch zufrieden. Wir haben die besten Stierkämpfer des Landes live gesehen, eine wirklich tolle novillada, richtig gute Stiere - was will ein aficionado mehr?