Samstag, 25. Mai 2013

Die Stiere Los Victorinos in Talavera de la Reina


SfA begleitet einer der berühmtesten Stierzuchten nach Talavera de la Reina
__________________________________________________________________






von Colin Ernst 

Marlen Fernández (Pressesprecherin der ganadería
Victorino Martin) und Colin Ernst
(Foto: Matito Lopez)
In der plaza de toros von Talavera de la Reina ließ der berühmte matador de toros Joselito sein Leben. Heute hatte ich die Gelegenheit, diese historische Arena zu besuchen. Nach einem stärkenden Madrider Frühstück, mit Marlen, Pressesprecherin Victorinos, ihrem Mann José Luis, Taurinokritiker und Jesus, einem weiteren Mitarbeiter, der ganadería, brechen wir gegen elf Uhr nach Talavera auf. Auf der Fahrt verrenke ich mir fast den Hals, vor lauter Schauen und Entdecken. In der Region gibt es viele Stierzuchten, wie ich auf der Fahrt sehe. Anfangs kreisen unsere Gespräche immernoch um das Debakel von Madrid, aber als wir die schön gelegene plaza erreichen, werden wir optimistisch, die Sonne scheint. Wir wetten um ein Sushi-Essen, wie viele orejas möglich sind. Jesus, der die Stiere selbst kennt, legt mit fünf Trophäen vor, Marlen tippt auf drei und ich, mit meinem Vertrauen in Iván Fandiño und der Erfahrung von El Cid, wage ich auch drei zu tippen. Die plaza ist sehr schön, aus rotem Backstein, intregiert in einem Park und Kirche, sieht sie malerisch aus. Wie in Madrid, kommen wir durch den Hintereingang hinein, Don Victorino und sein Sohn, Victorino Martin, der die ganadería jetzt leitet, sind schon da. 
Marlen Fernández und der matador de toros Jaime Ostos
(Foto: Matito Lopez)

Herzliche Begrüßung und Plauderei mit vielen bekannten Gesichtern der tauromaquia sind auch diesmal das Vorgeplänkel. Ich kann mir die Vorbereitung der Pferde der picadores ansehen, sie werden sorgfältig warm geritten, sowas sehe ich, als Pferdeliebhaber gern. Sie sind gut geschützt und recht gelassen. Ich sehe wie Uceda Leal die capilla betritt. Ich bin nur einen Meter von einem Mann entfernt, der sich gleich, mit einem fuchsia/gelben Tuch bewaffnet, einem 500 Kilo Stier bis auf Zentimeter nähert. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Don Victorino erfreut sich großer Beliebtheit, öfters wird er um ein Foto gebeten, ja sogar um Autogramme. Er erfüllt die Wünsche gerne, strahlt eine heitere Gelassenheit aus. Wenn in den Grüppchen geplaudert wird, geht es immer um gloreiche Zeiten. "...Weist du noch, der dritte Stier, von XX in der corrida XY, wo XX dies und das passiert ist..." Die Menschen um mich rum, haben ein Gedächnis für Namen von Stieren, toreros, Daten, das ist verblüffend. Von einem guten Stier wird geschwärmt, als wäre es Marilyn Monroe
Marlen Fernández, Colin Ernst, Victorino Martin und José Luis Carabias (Stierkampfkritiker)
(Foto: Matito Lopez)

Joselito (1895 - 1920)
Fasziniert lausche ich den Geschichten und Anektoten, jede eine, eine Reportage wert. Bevor die figuras einmarschieren, macht sich unsre Gruppe auf den Weg zu unseren Plätzen. Es geht um das ganze Rondel, im toril. Mein Herz pocht wie verrückt. Victorino zeigt auf eine Stelle im Sand - dort starb Joselito. Für mich ein ergreifender Moment. Dann geht es auf die Ränge, im sombra, genau wie in Madrid. Diesmal sind geladene Gäste aus Portugal und den Niederlanden, Florida und Italien dabei, ich sitze neben Don Victorino, der eine seiner geliebten puros pafft. Uceda Leal ist der Älteste und so als Erster präsent. Alle, die wir mit der Familie Victorino Martin hier sitzen, sind angespannt, unsere Augen saugen sich am toril fest. Tausend Gedanken schießen einem durch den Kopf, wenn man torista und Victorinofan ist. 

Einmarsch der toreros in Talavera de la Reina
(Foto: mundotoro)
El Cid (Foto: Matito Lopez)
Gestern schritt der Stier würdevoll in die Arena, zum Missfallen des Publikums und des toreros. Würde der erste toro heute, ein anderes Bild bieten? Das Tor geht auf und jaaaa, er schießt förmlich aus dem toril  Recht flott nimmt Leal ihn in Empfang, wir atmen auf, ein Victorino, wie er im Buche steht. Ich sehe eine gute faena, man lässt den Stier nicht übermäßig am Pferd verweilen, und es geht recht ordentlich mit beiden Händen weiter, aber letztendlich erreicht die gediegene Arbeit des matadores das Publikum nicht - keine Trophäe. Auch der zweite toro für El Cid, präsentiert sich gut, aber die estocada verhindert, wie so oft, die Gunst des Puplikums, welches schweigend auf den Rängen sitzt. Schlecht ausgeführte estocadas tun mir im innersten weh. Ich drehe mich kurz um und sehe das Gesicht des Züchters, ich sehe Schmerz. Er hat den toro seit dem ersten Tag seines Daseins, jeden Tag gesehen, selbst zu Pferde umgeweidet, trainiert, gefüttert, geimpft, gehegt und gepflegt. Es muss sehr schmerzvoll sein, wenn des ganaderos liebstes Kind, nicht schnell und ehrenvoll getötet wird. Auch Don Victorino schluckt, dreht die Zigarre zwischen den Fingern. Ich atme tief durch, wird der Triumpf der Victorinos, wiedereinmal von den toreros zunichte gemacht? Nein, denke ich, da ist Ivan Fandiño, meine drei orejas sind nur auf ihn begründet, ich schaue mir den jungen torero seit drei Jahren genauer an, der ist aus anderem Holz geschnitzt, er hat was und er kann mit den unterschiedlichsten encastes etwas anfangen, seine estocadas sind meistens gut. Ein sehr schöner toro stürmt aus dem toril  und das Publikum wird mit einem beihnahe vollendeten Tanz belohnt. Spannung pur, gute Arbeit der banderilleros, schnelle quites, eine faena, gut durchdacht, mit Einfühlungsvermögen und eine gute estocada, das Publikum ist begeistert, endlich sehe ich wieder ein Meer aus weißen Tüchern. Zwei Tropähen hält er in den Händen. In den Gesichtern der Züchter sehe ich tiefe Zufriedenheit, auch sie hat die Arbeit Fandiños beeindruckt. Uceda Leal sieht mit seinem zweiten Stier besser aus, er kann sich mit ihm gut ausdrücken und das oreja ist gerechtfertigt. Damit hätte ich meine Drei-oreja-Wette gewonnen... aber ich sehe uns schon Jesus' Sushihunger bezahlen, denn die Erfahrung El Cids, war mir auch ein oreja wert, falls Fandiño nur jeweils eines bekäme. Die Vorstellung von El Cid ist mir das Sushiessen wert. Schon lange habe ich ihn nicht mehr so gut gesehen, es passte alles! Man konnte sehen, wie aus dem angespannten Cid, ein strahlender El Cid wird. Er hatte während seiner faena gelächelt, so gut kam ihm dieser Stier in die muleta, ohne Tricks, konnte er zeigen, was er kann. Und er war verdammt gut mit diesem Victorino! Zwei Trophäen für ihn, von mir hätte er für sein glückliches Lächeln noch den rabo bekommen. "El ultimo de la tarde" (Der letzte Stier des Tages) ist für Ivan Fandiño die dritte Trophäe dieser corrida und somit hat sich für El Cid und ihn die puerta grande geöffnet. 

Für mich, eine corrida voller Emotionen. Hat mir besser gefallen, als Las Ventas, um ehrlich zu sein. In den kleineren plazas ist man näher am Geschehen, das Publikum ist nicht so kalt und man hat einfach mehr davon. Ein Aufatmen Victorino Martins, die corrida des Vortages kann man, halbwegs beruhigt aus dem Gedächtnis streichen. Neben dem Triumph von Ivan Fandiño, ist der von El Cid fundamental - mit Victorinos - Si se puede! Ja, man kann! Ich freue mich für alle Beteiligten und habe die Ehre gehabt, an der Seite des Züchters, dieses Event zu besuchen. Mit Don Victorino an meiner Seite, bahne ich mir den Weg zum Wagen, ständig begleitet von aficionados, die ein Foto, ein Autogramm wünschen. Für mich eine unangenehme Situation, ich komme mir vor wie ein Bodyguard eines Filmstars. Jesus "rettet" uns dann, endlich sind wir beim Wagen, müssen aber noch auf Victorino Martin warten, der sich der Presse stellen muss. Auch wenn diese corrida ein voller Erfolg (drei Viertel der plaza war voll) war, möchte ich nicht in der Haut des Züchters stecken, neben Erfolg und Niederlage, der Schmerz einer schlechten estocada, Interviews und quasi ein 24-Stundenjob in der ganadería, dem enormen Druck, alles am Leben zu erhalten - wo nimmt dieser Mensch die Energie her? Auf der Fahrt von Talavera nach Coria, zur finca, plaudern wir ein wenig über Pferde, aber eigentlich sind wir alle müde, keiner von uns hat seit Freitag mehr als drei Stunden pro Nacht geschlafen, vernünftig gegessen, oder ausgeruht, drei Tage auf 180! Jesus und ich werden gegen dreiundzwanzig Uhr beim nahegelegenen Hotel abgesetzt, Victorino wird spätestens um fünf Uhr morgens bei seinen Stieren sein, um sich um kranke Tiere und die Herden zu kümmern. Spätestens um neun Uhr wird sein Telefon ununterbrochen klingeln, und ich werde ihn gegen Mittag irgendwo in der ganadería treffen, um ein Interview zu führen. 
Der matador de toros Ivan Fandiño in Valencia (Foto: mundotoro)
Wie nahe Leben und Tod bei einer corrida zusammen liegen, sehe ich drei Tage später. Ivan Fandiño, am Sonntag auf den Schultern durch die puerta grande, am Mittwoch, in Las Ventas  Dank eines toros von Parlade (Domecq), vergießt sein Blut im Sand der Monumental von Madrid, statt puerta grande - enfermería - ins Krankenhaus. Eine cornada, fünfundzwanzig Zentimeter, im Muskel des Beines, wird ihn ein paar Wochen von den Stieren fern halten. Aber dieser junge Mann, wird alles tun, um schnellst möglich in die plazas zurück zu kehren. Und ich glaube, das er noch härter, für den Erfolg an sich arbeiten wird . In diesem Sinne : "Fuerza Fandiño, animo, que te recuperas pronto - Torero! Torero!"