Mittwoch, 25. August 2010

In einer anderen Dimension

Don Manuel lebte viele Jahre in Deutschland. Nun ist er wieder zurück in seinem Spanien. Bekannt ist er hier als der Dichter und Denker. Wenn er gut gelaunt ist trägt er in aller Öffentlichkeit seine Poesien vor. Ein Philosoph und die tauromaquia, das könnte zusammenpassen. Und in der Tat teilt er die Leidenschaft der afición. Wir sprachen über die ausländischen antitaurinos und da war seine Haltung eindeutig. Die tauromaquia muss man in einer anderen, in einer geistigen Dimension betrachten. "Wenn ausländische Gegner von Stierkämpfen die afición auffordern ihre Leidenschaft mit einer diagnostizierbaren Logik zu rechtfertigen, sei das schon vom Ansatz her zum scheitern verurteilt. Aber sie tun es trotzdem, damit sie dann behaupten können, der afición gehen die Argumente aus." 

Professor Rainer Bischof aus Wien sieht es ähnlich: "Die corrida ist ein emotionales Naturereignis, welches nur geistig erfasst werden kann." Hier tritt der Mensch gegen die Natur an. Die Kraft des Stieres, die Hitze der Sonne, Licht und Schatten, die Feuchtigkeit des Regens, die Unberechenbarkeit des Windes und der staubige Sand. Neben diesen natürlichen Gewalten muss sich der matador auch vor dem Publikum behaupten. In den tendidos sitzt ein munterer Querschnitt durch die ganze Gesellschaft. Und sie will es sehen, wozu sie selbst nicht fähig ist. Wo sie nicht den Mut dazu aufbringt. "Ein Mysterienspiel des Todes", so Bischof, "die Darstellung des Todes im Leben." Ein geregeltes Ritual dass der torero nicht brechen darf.

Der spanische Schriftsteller Antonio Gala sagte in einem Interview, "um die corrida zu verstehen, muss man den Gedanken freien Lauf lassen. Die eigenen Phantasien anregen um Kunstvolles zu schaffen." Diese geistige Dimension scheint der Brückenschlag zu künstlicher Kreativität zu sein. Dinge zu sehen, die einem bei logischer Betrachtungsweise verborgen bleiben. "Seine Arbeit mit der muleta war kunstvoll, edel und schön und dicht genug, um einem trotz seiner wunderbaren Sicherheit das Gefühl der immer präsenten Tragödie zu geben", schrieb Hemingway 1959. Bei diesen Worten erahnt man zwar das Drama, aber der Gedanke an ein grausames Ereignis liegt eher fern.

Bei Gustavo Tusa Vila lesen wir: "Der toreo des Antonio Ordoñez ist Vergessen und Wiederkehr. Er ist das Wiederfinden des rauschenden Quells, der die Kunst des Stierkampfes hervorbringt. Wie ein Fluss, der mit kristallklarem Wasser die letzten Tage der Geschichte des toreo tränkt, weil er sich keinem Lauf anpassen will."  Wer solche Worte wählt sieht mehr als andere, aber vor allem deswegen weil er sich diesen Gedanken gegenüber öffnet.

Vor vielen Jahren begegnete ich nach einem Stierkampf Carmen aus der Schweiz. Sie fand die corrida abstossend. Auf die Frage meines Freundes hin, wie sie denn die paso dobles gefunden hätte, sah sie nur erstaunt zurück, "Musik hat es auch gegeben?" Sie hatte ihr Bewusstsein nur auf die banderillas, die pica, den estoque und das Blut fixiert. Den Rest hatte sie einfach nicht wahrgenommen. Nicht wahrnehmen wollen. Ausser eben das Blut. "Da fiel der erste Tropfen Blut und erblühte, Blut empfing die Erde, und sie zehrte es auf wie ein schreckliches Tier, das nicht satt werden kann," so sah es Pablo Neruda
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Quellennachweise
Rainer Bischof, Heilige Hochzeit, Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar, 2006
Ernest Hemingway, Gefährlicher Sommer, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1986
Gustavo Tusa Vila, la corrida, Ediciones Castell, Barcelona, 1979
Pablo Neruda, Zeremonielle Gesänge (Dichtungen II), Luchterhandverlag, Berlin 1967

Montag, 16. August 2010

Im Schatten des Stieres


"Freitag Abend, den 13. August brach die Fiesta aus. Es gibt keinen anderen Ausdruck dafür". So oder ähnlich hätte Ernest Hemingway den Beginn der Feria von Málaga beschrieben. Seit letztem Wochenende befindet sich die südandalusische Hauptstadt im Ausnahmezustand. Und er ist mittendrin. El toro bravo! Kein Festzelt wo sein Symbol nicht zu finden ist. Kein Strassenzug ohne ein cartel de toros. Kein Sherryglas ohne den Osbornestier, keine Zeitung ohne mehrseitige Berichterstattung über die Welt der Stiere und der Tod am Nachmittag bei der corrida de toros in der Malagueta.

Begleitend dazu gibt es eine Ausstellung im Geburtshaus von Pablo Picasso:  Tauromaquias. Ich hatte davon schon geschrieben. Und nun gibt es im Stadtratsamt für Umwelt einen weitere Ausstellung, die sich ebenfalls mit dem Thema der tauromaquia beschäftigt. Zu sehen sind Photographien von Javier Arroyo mit dem Titel "La sombra del toro".


Der Stier und seine Umgebung. Der Fotograf hat den toro bravo ganze vier Jahre auf den dehesas begleitet, sein Leben in der Natur beobachtet, die Weiden, die Erde, den Himmel, Licht wie Schatten und den Umgang der Menschen mit ihm. Die Gesten, die Reaktionen, das Feingefühl und die Fürsorge. Und er ist der Hauptdarsteller, steht stets im Mittelpunkt. El toro bravo. Respekt, Ehrfurcht und Anerkennung, alles Attitüde die sich in diesen Bilder reflektieren.


"Ich ging einen Weg, um dem Betrachter den normalen Tagesablauf der toros de lidia näherzubringen. Dabei durchlaufe ich vier Stationen: "Die Landschaft", "Die Details", "Der Mensch" und "Der Stier". Die Stierzucht der Söhne von Celestino Cuadri und des Züchters Fernando Cuadri haben mir geholfen Ideen zu entwickeln, Motive zu versinnlichen die sich nun in dieser Ausstellung wiederspiegeln. Unvergessliche vier Jahre Arbeit. Ich bin ihnen sehr zu Dank verpflichtet."

Die Stadträtin Araceli González überascht nun schon das zweite Mal mit einer taurinischen Ausstellung. 2016 möchte Málaga zur Kulturhauptstadt Europas werden, und sie ist sich da ziemlich sicher. Der toro bravo gehört auch dazu.   


La sombra del toro
 Photographien von Javier Arroyo

Stadtratsamt für Umwelt
Sala Noble
Bis zum 15. September 2010
9:00 - 14:00 / 18:00 - 20:00
Ausstellung beendet

Donnerstag, 5. August 2010

Toros in Málaga

Stierkämpfe und eine Austellung in der südandalusischen Metropole

Lange Warteschlangen in Málaga
Während das Verbot des Stierkampfes in Katalonien eher eine Momentaufnahme ist, zeigt die andalusische Stadt Málaga, welche wichtige Bedeutung die Stiere für sie hat. Es ist August und eines der grössten südeuropäischen Feste steht vor dem Beginn. Sherry, Flamenco, Sevillanas, Kastagnetten, Pferde, caballeros y señoritas, alles was das andalusische Herz begehrt … und das nicht zu knapp. Und natürlich gehören auch die toros dazu. Ganze 15 Veranstaltungen  finden in der 1876 eingeweihten Plaza de toros statt, von der schon der Romantiker Théophile Gautier zu berichten wusste. Und das Interesse ist gross. Tausende von aficionados mussten sich beim Vorverkauf anstellen um eine Eintrittskarte zu ergattern. Besonderes Interesse gilt diesmal dem Startorero Enrique Ponce.
Entwurf für das Stierkampfplakat in Madrid

Begleitend zur Feria kann man sich im Geburtshaus von Pablo Picasso die Ausstellung “Tauromaquias” anschauen. Zu sehen sind 129 Radierungen der Künstler, Goya, Picasso und José María Cano. Drei Jahrhunderte prägende Kunst der tauromaquia, aus Aragon, Málaga und Madrid. Den Kennern werden natürlich die Werke von Goya und Picasso nicht unbekannt sein und so wirft man einen Blick auf den jüngsten im Bunde. José Maria Cano. “Könnte ich wiedergeboren werden, ich würde gerne ein toro bravo sein,” teilte der Künstler in einem Interview mit. Im Stierkampf erkennt er die Liebe zu den Tieren und das ökologische Interesse.  



“Der toro bravo wird während seiner ganzen Lebenszeit respektiert. So wie kaum ein anderes Tier. Er führt ein herrliches Leben auf den Weiden,  bewaffnet mit einer Hornung, die er nie benutzt. Aber am Ende seines Lebens könnte sie eine todbringende Wirkung haben.”




Tauromaquias
bis zum 29. August 2010

Sala de exposiciones de la Fundación Picasso-Museo Casa Natal, primera planta (Plaza de la Merced, 15)
Öffnungszeiten: 9:30 – 20:00 (Feria 9:30 – 14:00)
www.fundacionpicasso.es
José María Cano