Sonntag, 1. November 2009

Das Ende der Stierkämpfe

Wie soll das gehen?

Nehmen wir mal an, es würde den Tierschützern gelingen einen solchen Einfluss auf die Politiker zu bekommen, um eine Abschaffung der Stierkämpfe zu bewirken. Was würde eine abolición de la tauromaquia, sagen wir mal im nächsten Jahr bewirken?

Denn ein solches Verbot wirft zunächst folgende Fragen auf:

  • Welche alternativen Jobmöglichkeiten werden den bis zu 150.000 Arbeitslosen angeboten?
  • Welche Perspektiven werden den Stierzüchtern in Aussicht gestellt?
  • Welche Maßnahmen werden zum Schutz des ökologischen Gleichgewichts in Andalusien in die Wege geleitet?
  • Welche Schritte werden zur Erhaltung der "Kampfstierrasse", des toro bravo unternommen?
  • Wie wird der ohne Frage ruinierte Wirtschaftszweig entschädigt?
  • Wer kommt für den finanziellen Ausgleich auf? Spanien? Europa?

Fragen aber fast keine Antworten.

Was sagen die Tierschützer?

Fragt man einen antitaurino, wie er sich die Abschaffung von Stierkämpfen vorstelle, und mit welchen wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Konsequenzen zu rechnen sei, wird man angeschaut als ob man von Marsmännchen erzähle. Tierschützer fordern bekanntlich die totale Abschaffung von Stierkämpfen in Europa. Aber über die möglichen Konsequenzen für die betreffenden Länder (Spanien, Frankreich und Portugal) haben sie wohl dabei noch nicht nachgedacht. Ist ihnen nicht mal in den Sinn gekommen. Jüngst nahm Sandra B. aus Marbella, eine überzeugte antitaurina, wie folgt Stellung: “Die haben das ganze Leben lang Stiere gequält, damit sehr viel Geld verdient, und da geschieht es ihnen nur recht, wenn sie jetzt selbst dafür zahlen müssen”. Kann man den Meinungen einiger Tierschützer glauben schenken, so sollen die Geschädigten sich selbst überlassen werden. Und ob das eine demokratische Alternative ist, sei mal dahingestellt.

Und was meinen die Politiker?

Auf nationaler Ebene fürchtet man am Beispiel von Spanien bei einem Stierkampfverbot vor allem zwei Dinge. Erstens: Spanien steuert eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent an. Da können sie so einen weiteren Brocken von bis zu 150.000 joblosen Personen nun wirklich nicht mehr gebrauchen. Zum anderen ist der Stierkampf nach wie vor zu populär. Das erkennt auch der sozialistische Regierungspräsident Rodriguez Zapatero, der nach verschiedenen Vorstössen durch seine Partei schliesslich seine Mannen zurückpfiff und in der Tageszeitung ABC verkündete, dass der Staat “no tiene ninguna intención de hacer nada contra los toros”, also nicht die Absicht habe, gegen den Stierkampf vorzugehen. Das Wählerpotential unter der afición sei einfach zu groß.

Auf europäischer Ebene sieht es ein wenig anders aus. Dort herrscht keine Furcht vor Wähler-Verlust. Allerdings scheinen die 785 Abgeordneten nur recht einseitig von den Antragstellern informiert worden sein. Obwohl einige Vertreter aus der Stierkampfszene für wenige Tage beim Parlament präsent waren, um ihre Welt der toros zu vertreten hat es eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Konsequenzen wohl nie gegeben. Verschiedene Schreiben an die Abgeordneten wurden im Sinne der tauromaquia sehr oberflächig gar unbefriedigend beantwortet: "Angesichts der Folgen, die sich bei einem Verbot der Stierkämpfe ergeben würden, ist es natürlich zu bedauern, dass so viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Allerdings steht der Schutz des Arbeitsmarktes nicht über allen Gütern." Oder:
"Auch wenn ich prinzipiell ein Verfechter des Subsidiaritätsprinzips bin - insbesondere wenn es den Bereich der Kultur betrifft - so besteht doch Handlungsbedarf seitens der EU, wenn Mitgliedstaaten nicht vertragskonform handeln. In diesem Fall können auch wirtschaftliche Gründe nicht geltend gemacht werden." Schliesslich: “Wir danken Ihnen für den Hinweis. Ich muss zugeben, mir darüber noch keine Gedanken gemacht zu haben. Ich werde es aber im Arbeitskreis anregen”. Mit anderen Worten, auch Europa ist auf eine mögliche abolición de la tauromaquia so gar nicht vorbereitet.

Aber eines dürfte klar sein. Ein Ende der Stierkämpfe wird Europa sehr viel Geld kosten. Und ob diesen Aufwand die Bürger der Europäischen Union bereit sind zu leisten, steht auf einem anderen Papier.

Und was machen dann die Stierkämpfer

Bei einer Abschaffung von Stierkämpfen werden bis zu 150.000 direkte wie indirekte Arbeitsplätze vernichtet. Eines der Probleme der ungefähr 70.000 direkt Involvierten ist, ein großer Teil hat nichts anderes gelernt, als die Welt der toros. Sie benötigen nicht nur einen neuen Arbeitsplatz, sondern sie müssten erst einmal umgeschult werden. Ein teures Vergnügen für den Staat.

Über die Perspektiven der Züchter

Ein Anfrage bei dem Verband der Stierzüchter, dem Departmento de Comunicación de la Union de Criadores de Toros de Lidia, kurz UCTL, wie sie im Falle einer abolición de la tauromaquia ihre Zukunft sehen, fand zügig eine Reaktion: “Muy negativamente en el ámbito de empleo y muy negativamente en cuanto al mantenimiento de las explotaciones agropecuarias y lo que esto implica en sostenibilidad en condiciones óptimas de la dehesa, lugar donde se crían los animales”. Weder für die Mitarbeiter noch für die landwirtschaftliche Entwicklung lägen interessante Perspektiven ja nicht mal akzeptable Alternativen vor. Das Problem, man könne eben nicht von heute auf Morgen auf Massentierhaltung umstellen, damit es sich finanziell lohnend auswirkt. Auch wären die so genannten dehesas, die Weiden der Kampfstiere dafür vorerst nicht geeignet.

Fazit

Weder Tierschützer noch Politiker haben irgendeine Vorstellung davon, wie man denn im Sinne aller Beteiligten eine Abschaffung von Stierkämpfen europaweit realisieren könnte. Mehr noch, es gab nicht einmal sondierende Gespräche dazu. Und solange antitaurinos weiterhin die afición dermassen verbal beschimpfen, ihr “Menschsein” abwerten, wird es eine solche Annährung nicht so schnell geben.