Dienstag, 27. Oktober 2009

Armut wegen Stierkampf?

Subventionen auf dem falschen Weg? So sehen es die Tierschützer

Es scheint nur verständlich, dass Tierschützer auch mit menschlichen Argumenten versuchen zu punkten. So reden sie häufig von einer Stierkampf-Mafia die Millionen verdient, oft auch wegen der Subventionen, und dass man mit diesem Geld wohl viel nützlichere Dinge anstellen könnte. Gerade in der letzten Woche wurde im Beitrag Der grosse Irrglaube: Stierkampf sei für den Tourismus! ein Kommentar darüber geschrieben: “Die Subventionen in Millionenhöhe für die Tauromaquia sollten besser dem spanischen Bürger zufliessen und nicht einigen wenigen Bonzen der Tauromafia”. Und weiter heisst es: “Mit all diesem Geld könnte man in Spanien Krankenhäuser modernisieren oder neu bauen, man könnte genügend ärztliches Fachpersonal bezahlen.” Von Klaus M. aus Bocholt erhielt ich ein Mail mit unter anderem folgendem Inhalt: “Es scheint mir unerträglich, dass es in diesen Zeiten in Europa immer noch so viel Armut gibt. Und statt die Gelder in solche modernen Gladiatorenspiele der Neuzeit, wie den spanischen Stierkampf zu verschwenden, sollte man sich um die Bedürftigen kümmern”. Öffentliche Gelder für Stierkämpfe, dass erzürnt wohl einige Gemüter.

Ungerechtfertigte Gehälter?

Die Zweifel, dass ein José Tomás bei seinem letzten Auftritt angeblich 400.000 Euros erhalten haben soll habe ich ja schon im Beitrag Wenn Wohltätigkeit weh tut! dargestellt. Aber wenn es so gewesen wäre, ist nicht nachzuvollziehen, warum dieses als “nicht vertretbar” interpretiert wird.

Ein berühmter matador de toros verdient im Verhältnis zu anderen Stars aus Sport und Showgeschäft relativ wenig. Es sind vielleicht gerade mal an die zehn toreros, wenn überhaupt, die da pro Auftritt 100.000 Euros oder mehr verdienen. So ein Stierkämpfer muss, gleichwie ein Fussballer, seinen möglichen Triumpf über Jahre hart erarbeiten. Und nur sehr wenige haben es auch wirklich geschafft.

Prioritäten oder schlechtes Gewissen?

Den Übel dabei sehen die Tierschützer wohl im Publikum. Würden diese nämlich ihre Gelder nicht zu den plaza de toros bringen, würde man der so genannten Stierkampflobby die Fundamente entziehen. Also will man den Besuchern, oder möglichen Besuchern ins Gewissen reden, sie informieren, welche Armut es auf der iberischen Halbinsel gibt. Sollte man das wirklich tun?

Jüngst sass ich mit Geschäftspartnern in einem gehobenen Lokal. Die Speisen waren köstlich genauso wie die Rechnung: Fast zweihundert Euros. Schließlich meinte Don Pedro: “Mit dem Geld hätten wir auch für ein halbes Jahr die Patenschaft von einem Kind oder von sechs Kindern für einen Monat übernehmen können”. Ein anderer rechnete weiter: “Und wenn man das umrechnet wären es insgesamt so zwischen 400 und 600 Speisen”. Wir stimmten zu und diskutierten über diese Thematik. Ist es nicht so, dass fast alles was wir machen, so wie wir leben, auch bei aller Bescheidenheit, im Vergleich zu restlichen Welt purer Luxus ist? Da könnte man hinterfragen, nur weil es so viel Elend gibt, sollte man zum Beispiel die besseren Lokale meiden? Nicht mehr bei Hermés einkaufen gehen oder BMW fahren? Darf man seinen kulturellen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden? Sicherlich nicht. Es sollte einem jedem selbst überlassen sein, nach ethischen oder religiösen Werten seine eigenen Prioritäten zu setzen, und sich nicht von Bestimmungen durch Dritte bevormunden zu lassen. Wohlgemerkt, in unseren Breitengraden jedoch unter Anerkennung demokratischer Werte und gesetzlichen Vorgaben.

Was sagt die Wirtschaft dazu?

Nicht alle Stierkampfarenen fahren kostendeckend oder gar gewinnbringend. Zum Beispiel Barcelona, Córdoba und Granada. Hier geht es in erster Linie um die Erhaltung der Tradition der tauromaquia.

Das trifft auch für Stierkämpfer zu. Ein Grund warum sich unter den banderilleros, den so genannten Hilfsstierkämpfern, zahlreiche gescheiterte matadores de toros oder novilleros befinden. Wie oben schon beschrieben, nur wenige schaffen den finanziellen Durchbruch und das gilt auch für viele empresarios.

Aber trotzdem ist der Stierkampf ein gewinnbringendes Geschäft. Direkt wie indirekt werden in Spanien Millionen an Euros umgesetzt. Und in Zeiten der Krise, die natürlich auch die tauromaquia eingeholt hat, scheint es nicht sehr sinnvoll, gerade jetzt einen funktionierenden kompletten Wirtschaftszweig einzustampfen.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Doch kein Tod den Taurinos?

Kommentar auf SOS Galgos gelöscht.
Kaum einer meiner Beitrage erlebte so zahlreiche Reaktionen wie Den Taurinos den Tod! Er bezog sich auf einen Kommentar zum dem Artikel Spanien, ein Spanien, ein Land gewaltätiger Machos, wo der “Wunsch ausgesprochen” wurde : “Den Tieren das Leben - den Taurinos den Tod!” auf dem Internetportal SOS Galgos. Diese Äusserung empörte nicht nur taurinos, sondern auch aus den Reihen der Tierschützer kamen kritische Stellungsnahmen. SOS Galgos hat reagiert und diesen Kommentar gelöscht.
Interessant dabei zu beobachten wie die einzelnen Statements ausgefallen sind. Nicht mehr der Stierkampf selbst war das Thema, sondern es ging eher um Umgangsformen miteinander. Verständlich und menschlich zugleich. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind zu kommunizieren ohne uns gegenseitig zu beschimpfen, werden wir nie etwas erreichen.
Tierschutz ist sehr wichtig!
Ich gebe es gerne zu. Das Elend der Menschen auf dieser Erde hat für mich Vorrang. Trotzdem finde ich Tierschutz sehr wichtig, gerade heute und hier in Spanien. Mein Bedenken dem übereifrigen Tierschutz gegenüber zeigt sich in jedoch folgender Darstellung. Wenn ich einem vielleicht fanatischen Tierschützer zwei Fotos zeige, eines mit einem ausgemergelten Hund aus Andalusien und ein zweites mit einem verhungerndem Kind in Afrika und frage, welchem Wesen würdest du helfen wollen, hätte ich die Befürchtung dass dieser sich ohne zu zögern für den andalusischen Hund festlegen würde. Und diesen Punkt sehe ich halt anders. Prioritäten werden hier wohl differenziert gesetzt. Und deshalb fand ich es unmöglich, das die Spende eines José Tomás in der Dreck gezogen worden ist.
Meinungsverschiedenheit auch bei den Tierschützern?
Selbst unter den Tierschützern steht der Stierkampf an einer der letzten Stellen. Der letzte Versuch mit der Schriftlichen Erklärung beim Europäischen Parlament im Mai 2007 hat es eindeutig bestätigt. Nur 51 Prozent der tierschützenden Parlamentarier unterschrieben den Antrag für ein europaweites Verbot von Stierkämpfen. Dieses veranschaulicht wie kontrovers das Thema der tauromaquia auch in den Reihen der Tierschützer gesehen wird.

Sonntag, 18. Oktober 2009

Der grosse Irrglaube: Stierkampf sei für den Tourismus!

Trägt der Tourismus die Schuld am Weiterleben der Stierkampfe? So sehen es die Tierschützer!

Wenn PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) die wohl grösste Tierrechtorganisation der Welt in die Tasten haut, scheinen die Worte für den restlichen Welt der Tierschützer als geschriebenes Gesetz zu gelten.

So können wir bei PETA nachlesen: “Einer der größten Befürworter der Stierkämpfe ist die Tourismusbranche”, und bei peta-kidsTouristen halten die Stierkämpfe am Leben, indem sie Stierkämpfe besuchen”. Und schon übernehmen es andere Organisationen wie zum Beispiel der Deutsche Tierschutzbund der in einem Schreiben darauf hinweist: “Eine entscheidende ökonomische Basis für das Fortbestehen des Stierkampfes ist der Tourismus”. Oder der Verband Schweizer Tierschutzorganiosationen: “Leider gilt der Tourismus als grösster Stierkampf-Promoter und viele Touristen lassen sich noch immer beschwatzen”. Schliesslich wird bei tierdach.de festgestellt: “Der Touristenmarkt ist hingegen das "Lebensblut" der Stierkampf-Profitmacher”. Da stellt sich doch die Frage, glauben die eigentlich selbst was sie da schreiben?

Die Fakten!

Im August diesen Jahres besuchten die Stierkämpfe in Málaga an die 165.000 Zuschauer. Ich fragte nach und José Luis winkte ab, “Nicht mal ein halber Prozent seien ausländische Touristen! Und wenn überhaupt sind es Studenten der Sprachschulen aus Málaga”. Bleiben wir in der Provinz, und kommen nach Ronda, der Wiege des Stierkampfes. Auch bei der berühmten corrida goyesca keine Touristen, denn hier kommt man nur mit Vitamin B oder einem Campingzelt vor dem Verkaufsschalter an Eintrittskarten. Ebenfalls in der spanischen Hauptstadt sind es laut eines mir bekannten Reiseführers gerademal eine Handvoll: “Von den Touristen aus meinen Reisegruppen sind es keine 5 Prozent die für Stierkämpfe ein gewisses Interesse zeigen”. In den anderen Metropolen wie Valencia, Zaragoza, Bilbao, Sevilla, Murcia, Granada, Valladolid zeigt sich kein anderes Bild: Die tendidos voller Spanier! Das Internetportal La Tauromaquia ist davon überzeugt, “dass der Touristenanteil bei den novilladas und corridas de toros (im Durchschnitt für ganz Spanien) einen ein- bis zweiprozentigen Anteil der Zuschauer nicht übersteigt”. Selbst die vielen Veranstaltungen auf dem Land, in den Dörfern, werden nur mal eher zufällig von ausländischen Reisenden aufgesucht.

Gewiss, es gibt Plaza de toros, die vor allem in den Sommermonaten, gezielt den Tourismus ansprechen. Zum Beispiel Mijas oder Benalmádena. Aber auch diese Veranstaltungen werden von recht wenigen Touristen besucht, einfach deswegen, weil man für überteuerte Eintrittsgelder (in der Regel 50 bis 100 Euros) wenig zu sehen bekommt: “Viele Touristen scheuen sich diese Geldsummen auszugeben, um dann etwas zu sehen was ihnen eventuell gar nicht gefallen wird. Und darum binden wir eine kurze Flamenco-Vorführung in unser Programm mit ein”, so Paco aus Benalmádena. Diese Extra-Vorstellung wird auch auf den Plakaten mit angekündigt: TOROS Y SHOW FLAMENCO. Hinzu kommt die Tatsache, dass spanische Einheimische oft kostenlos Zugang erhalten, um jene Touri-Arena überhaupt mit ein wenig Leben zu füllen. Aber solche Plaza de toros gibt es nicht viele.

Fazit

Man kann wohl feststellen, dass der Anteil an ausländischen Touristen bei Stierkämpfen mit Sicherheit keine drei Prozent betragen dürfte. Mit großer Wahrscheinlichkeit weniger. Und trotzdem wird von Tierschützern einfach behauptet, dass die Urlauber die Schuld an der Fortsetzung dieser in ihren Augen blutigen Tradition tragen. Es entzieht sich einer jeden Logik, warum die antitaurinos der breiten Masse suggerieren wollen, nur der Tourismus mache den Stierkampf möglich. Diese Aussage entspricht einfach nicht der Realität. Denn die sieht definitiv anders aus: Den Stierkampf gibt es nicht für den Tourismus, sondern trotz des Tourismus.

Freitag, 16. Oktober 2009

Wenn Wohltätigkeit weh tut!

Eine 200.000 Euros Spende verärgert die Tierschützer
Da spendet der matador de toros José Tomas 200.000 Euros für 13 gemeinnützige Organisationen in Katalonien und sagt dazu: “Zu können was einem am meisten gefällt und das Leben erfüllt, um Menschen zu helfen die es wirklich brauchen erfüllt einen mit einer gewissen Befriedigung.” Und sich auf den Stierkampf beziehend äussert er: “Ich schulde Barcelona viel, und das ist meine Form zurückzuzahlen was man mir gegeben hat”. Doch die Tierschützer sehen es anders. Da ist die Rede von Heuchelei, an anderer Stelle schreiben sie von einem Akt der Peinlichkeit. Auch in diesem Blog hiess es in den Kommentaren: “Ach ja, macht Euch aber keine Sorgen,solange Starmatadors wie Jose Tomàs, heuchlerische Wohltätigkeitsspenden macht,um in Katalonien sich den Stierkampf zu erhalten,werdet Ihr bestimmt nicht auf den Stierkampf verzichten müssen in den nächsten Jahren!” Der Tierschützer José Ortega Fraile sieht darin den verzweifelten Versuch den Stierkampf in Katalonien am Leben zu erhalten. Und um diese Spende abzuwerten, schreibt er, dass es ja eh nur der halbe Betrag von dem gewesen sei. was José Tomás beim letzten Auftritt in Barcelona verdient hat. Das könne sein Konto leicht verschmerzen.
400.000 Euros für José Tomás?
Da kommen einem wohl berechtigte Zweifel auf. Zum einen ist bekannt, dass der Betreiber der La Monumental, die Familie Balaña, schon seit Jahren mir der Stierkampfarena rote Zahlen schreibt. Da ist es zu bezweifeln, dass nur einem matador de toros diese hohe Summe ausgezahlt worden sei. Denn, und jetzt kommen wir zum zweiten Punkt, wenn in Madrid, mit 23.500 Sitzplätzen die grösste Stierkampfarena Europas, bei vollem Hause 435.000 Euros einspielt, dann wird wohl die La Monumental mit über 5.000 Plätzen weniger nicht einen ähnlichen Betrag erlangen. Wahrscheinlich dürfte er so um 350.000 Euros liegen. Und dass die gesamten Einnahmen einem José Tomas ausgezahlt worden sind, ist eher unwahrscheinlich, denn schliesslich galt es Kosten zu decken, wie das Personal und die beiden anderen matadores de toros mit ihren kompletten cuadrillas gab es sicherlich nicht gratis dazu. Es zeigt auf, wie unseriös der in 20minutes verfasste Artikel von José Ortega Fraile gehalten ist.
Dürfen Taurinos nicht sozial tätig sein? 
Diese Frage stellt sich in der Tat. Dürfen in den Augen der Tierschützer die Stierkämpfer und deren Anhängerschaft nicht wohltätig aktiv werden, ohne den Vorwurf der Heuchelei? Nur weil die afición zu ihrer Leidenschaft steht, sollen sie zu Kriminellen, Mördern oder sonstigen Verbrechern abgestempelt werden? Dürfen gar ihren Mitmenschen nicht mehr helfen? Mit allem Respekt, wenn antitaurinos nun propagieren, dass gemeinnützige Taten der afición nicht vertretbar seien, was soll man da noch sagen. Kindern nicht zu helfen, weil der Tierschutz es so will? So gesehen gewinnen wir eine neue Betrachtungsweise über den Tierschutz.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Den Taurinos den Tod!

Mein letzter Beitrag hat für ein wenig Wirbel gesorgt. Besonders in den Kreisen der Tierschützer. Und an anderer Stelle äusserte ich mich über die aggressiven verbalen Äusserungen einiger Stierkampfgegner. Dabei kann man nur ernüchternd feststellen, dass der Hass auf die afición grenzenlos zu sein scheint.
Da schreibt Claudia Stampa auf SOS Galgos von Männern die eben schon lange keine Männer mehr sind, weil Sie keine Eier in den Hosen haben. Ein wirklich sehr sinnvoller Beitrag zum Dialog mit der tauromaquia. Und den Stierkampf bezeichnet sie als ein “perverses Machismogehabe ,weil er der matador eigentlich ein absoluter Feigling ist, und nur gegen bedeutend Schwächere vorgehen kann”. Das erinnert mich an die Worte von García Lorca: “Ich liebe den Stier wie den Mond, je weiter weg, desto besser”. Oder an Antonio aus Málaga der mal Stierkämpfer werden wollte. “Als ich dann das erste mal einem Jungstier gegenüber stand, dachte ich nur an eins: Nimm deine Beine in die Hand und sieh zu dass du weg kommst”. Wahrscheinlich würde die Autorin der oben zitierten Zeilen in Ruhe stehen bleiben und sagen “Ach, du armer Stier”.
Sie wirft mir in einem anderen Absatz die Behauptung vor, dass Tierschützer aggressiv seien. Und in der Tat vertrete ich die Meinung, dass antitaurinos verbal gesehen recht harte Geschütze auffahren. So auch besagte Autorin die den “Wunsch ausspricht”: “Den Tieren das Leben - den Taurinos den Tod!” Und das in aller Öffentlichkeit auf einem deutschen Internetportal aus Wuppertal. Was soll man da noch sagen. Nichts unterstreicht mehr die These, dass die Stierkampfgegner eigentlich an einem Meinungsaustausch überhaupt nicht interessiert sind. Aber auf der anderen Seite sollten sie auch nicht erstaunt sein, dass wir, die afición, ihre Dialogbereitschaft in Frage stellen und ihr Verhalten eher als aggressiv darstellen.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Sympathie oder Mitleid für eine Antitaurina?

Sind antitaurinos bessere Menschen?
Das ein Meinungsaustausch in Sachen Stierkampf keine einfache Angelegenheit ist, dürfte allen Lesern bekannt sein. Jedoch sollte bei einem Dialog stets das Wissen des Andersdenkenden an eine verständliche Oberfläche gebracht werden und auch an dem nötigen Respekt jener Person gegenüber darf es nicht fehlen. Aber gerade bei der tauromaquia entwickeln sich solche verbalen Konflikte in emotionale Dialoge, geradezu zu einem antitaurinischem Drama.

So ist es wohl Caroline Waggershauser ergangen, als sie Ende September zu den 150 Demonstranten (siehe Barcelona: Zwischen Polemik und Afición) in der katalanischen Metropole gehörte. Ich bezeichnete dieses als “Antitaurinisches Spiessrutenlaufen”. In einem bei SOS-Galgos erschienen Erfahrungsbericht bezeichnete sie ihre Gruppe als “eine handvoll Verrückter” und beobachtete das Geschehen: “Im Festgewand schritten die Taurinos mit teils mitleidigem, teils höhnischen Blick an uns vorbei…Und weiter ist zu lesen: “Man schoss sogar Erinnerungsfotos von uns. Einige der “Unseren” preschten vor und beschimpften sie. Sie ernteten nur fröhliches Gelächter. Das Herz tat mir weh. Obendrein sind wir für die nur so etwas wie eine Kirmesattraktion.”  Wir? Auch darauf hat sie eine Antwort: “Pensionäre, sehr viele einfache Hausfrauen, ein paar Hippies und Punkies”. Ein armseliges Häuflein nennt sie es. Aber, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Doch das Echo war niederschmetternd. Denn die Reaktionen der afición arteten nicht in wüsten Beschimpfungen aus, nein der Schmach sass viel tiefer, denn die antitaurinos ernteten nur fröhliches Gelächter. Und wenn man diese Zeilen so zur Kenntnis nimmt, stellt sich in der Tat ein sentimentales Gefühl von Mitempfindung ein. Das haben sie nicht verdient! Nein wirklich nicht.

Doch dann wird Tacheles geredet, dem tief sitzendem emotionalen Frust Freiraum geschaffen: “Wir kochen verständlicherweise innerlich, würden uns diesen Taurinos am liebsten mit Krallen entgegenwerfen, haben die dunkelsten Vorstellungen von dem, was wir gerne mal in einem dunklen Verlies mit einem Torero anstellen würden.” Das klingt ja nun schon ganz anders, und so gar nicht nett. Die wenigen Sympathiepunkte sind reduziert. Aber schnell erkennt auch sie “so etwas darf niemals nach aussen dringen. Wir müssen immer die Contenance bewahren.” Antitaurinisches Fingerspitzengefühl? Ist ja grundsätzlich nichts dagegen zu sagen und fördert gewiss einen jeden Dialog bis diese tierschutzgerechte Diplomatie doch etwas mehr in verbalen Urteilen sich äussert und nun auch das spanische Volk sein Fett abbekommt: “Der Spanier ist ignorant, desinteressiert und unengagiert, der glücklich ist, wenn er sein Gläschen Wein in der Hand hat und seine Stiere am Sonntagnachmittag. Er ist nicht kritisch, er hinterfragt nicht.” Eine erstaunliche Feststellung für jemand, der in Spanien lebt.

Und schliesslich bringt es die Autorin auf den Punkt: “Wir müssen denen und aller Welt zeigen, dass wir die besseren Menschen sind.” Aha, denkt man sich, wenn man sich für die abolición de la tauromaquia einsetzt wird man ein besserer Mensch? Reicht der Einsatz, oder findet jene menschliche Aufwertung erst mit der endgültigen Abschaffung von Stierkämpfen statt? Überhaupt, wer sind eigentlich die besseren Menschen? Vegetarier oder Veganer, Frauen oder Männer, Christen, Moslems oder Ungläubige, Gebildete, Sportler oder was weiss ich … wer in solchen Kategorien denkt, ist weit entfernt von einem jeglichen Dialog zum wahren Meinungsaustausch.

Zum Schluss noch ein Zitat von Nietzsche, welches in dieser knappen Form auch auf die tauromaquía zutreffen könnte: “Bessere Menschen! — Man sagt mir, unsere Kunst wende sich an die gierigen, unersättlichen, ungebändigten, verekelten, zerquälten Menschen der Gegenwart und zeige ihnen ein Bild von Seligkeit, Höhe und Entweltlichung neben dem Bilde ihrer Wüstheit.”
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Quellennachweise: SOS Galgos vom 07.10.2009: "Im Festgewand ins Schlachthaus" 
Friedrich Nietzsche, 1873, Morgenröte, Buch 3, Seite 149

Samstag, 3. Oktober 2009

Barcelona: Zwischen Polemik und Afición

Fragt man in Europa nach, ob denn in Barcelona noch Stierkämpfe veranstaltet werden, erhält man meistens ein Nein – ich glaube nicht als Antwort. Das man so in Europa glaubt, in ganz Katalonien sei der Stierkampf abgeschafft lässt sich wohl auf eine einseitige Berichterstattung der internationalen Medien zurückführen, die immer nur dann hinschaut, wenn antitaurinos sich beeindruckend in Szene setzen. Zum Beispiel als Barcelona in einer geheimen Abstimmung im Jahr 2004 vom Rathaus zu einer “Barcelona antitaurina” gewählt wurde Und schliesslich gibt es da eine Liste mit 180.000 Unterschriften von Katalanen die eine sofortige abolición de la tauromaquia, eine Abschaffung von Stierkämpfen fordern.

Und es gibt doch Stierkämpfe in Barcelona

Doch wie sieht es in der Realität aus? Nach wie vor werden in der katalanischen Hauptstadt Stierkämpfe organisiert. Und nicht wenige sogar, in diesem Jahr sind es bis jetzt 18 corridas de toros. Das ist eine Steigerung zum Vorjahr von über 12 Prozent. Und es sind mehr als in den Stierkampfmetropolen wie Pamplona, Bilbao, Nîmes oder Málaga.

Am vergangenen 27. September trat der Superstar unter den toreros José Tomás in der Monumental von Barcelona an. ¡No hay billetes! Ausverkauft bis unter die Dachgiebel. Von nah und fern kamen sie angereist um diesen Event nicht zu verpassen. Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Kultur und der Filmbranche gaben sich ein Stelldichein und füllten die 19.582 Sitzplätze in den tendidos.

Antitaurinisches Spiessrutenlaufen

Und bei Prominenz stellt sich doch mal die Frage, wo bleiben da eigentlichen die antitaurinisch gesinnten Persönlichkeiten? Eine kleine Gruppe von an die 150 Personen mit Pappschildern und Plakaten bewaffnet glich eher einem Häufchen Verzweiflung denn aktiven Widerstand. Unter dem höhnischen Gelächter der afición glich deren Auftritt einem bemitleidenswerten Spiessrutenlaufen. Ein spanischer Journalist bringt es auf den Punkt: “Reine Potentialverschwendung. Sie ziehen mit 150 No-Names in eine Schlacht gegen eine 130-fache Übermacht gespickt mit Persönlichkeiten und vor allem mit Entscheidungsträgern”. Selbst die Stierkampfgegner erkennen dieses und auf einer deren Webseite ist zu lesen, dass solange in den ersten Reihen der Demonstrationen nicht Politiker, Journalisten, Schauspieler usw. stehen, wird man den spanischen Durchschnittsbürger nicht überzeugen können. Resigniert stellt man auf sos-galgos fest: “Für den Normalbürger sind wir nur ein Haufen Verrückter, Linker, Kommunisten, Terroristen, Separatisten, Marihuana rauchende Hippies und Grüne. Weiter nichts. Und so lange dieses Bild von uns rüberkommt, wird sich uns kein normaler Mensch anschließen”.

Und eigentlich lohnt es sich gar nicht mal

Finanziell gesehen fährt die Monumental mit ihren Stierkampfveranstaltungen nämlich rote Zahlen ein. Durchschnittlich werden die corridas in der katalanischen Metropole von 6.000 bis 8.000 Zuschauern besucht. Und rechnerisch muss der Veranstalter, die Familie Balañá, bei einer Belegung von nur 40 Prozent an die 20.000 Euros Verlust einstecken. Nur wenn die großen toreros anrücken klingelt es in der Kasse, Trotzdem hat sich die katalanische afición zusammengetan und setzt alles dran die tauromaquia auch in ihren Gefilden am Leben zu erhalten.

Wer entscheidet letztendlich darüber?

Was wir aus europäischen Zonen nicht nachvollziehen können ist wohl, wie geht das eigentlich? Da erklärt sich die Hauptstadt zu einer “Barcelona antitaurina”, und fünf Jahre danach werden immer noch Stierkämpfe organisiert. Und ein Ende scheint nicht in Sicht.

Die Erklärung ist einfach: Der Stierkampf in Spanien untersteht in erster Linie dem spanischen Staat, insbesondere dem Innen- und Justizministerium. Von ihm wird das Reglamento Taurino Nacional als königlicher Erlass herausgegeben, welches für das ganze spanische Territorium seine Gültigkeit hat, wobei es in einigen Regionen den traditionellen Gegebenheiten entsprechend abgewandelt oder angepasst werden kann – aber eben nicht abgeschafft. Da liegt der entscheidende Unterschied. Autonome oder lokale Entscheidungen dürfen und können staatliche Vorgaben nicht aufheben. Und so lange es im katalonischen Raum eine afición gibt, auch wenn sie in Barcelona nur 8.000 Personen zählt, wird der Staat das zu respektieren haben, denn durch Stierkämpfe kommen ja andere Bürger definitiv nicht zu Schaden.